Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
meine »Reiseerzählungen« nicht als Jugendschriften verfaßt worden sind, so ist der jetzt landläufig gewordenen Behauptung, daß sie schädlich seien, aller Boden entzogen. Es lese sie doch nur der, dem sie nicht schädlich sind; ich zwinge ja keinen Andern dazu! Weshalb und wozu die Vorwürfe alle, die man mir jetzt in Hunderten von Zeitungen macht? Sieht man sich diese Vorwürfe aber genauer an, so verlieren sie allen Wert. Früher lobte man mich; jetzt tadelt man mich. Das ist so Mode geworden und wird, wie jede Mode, sich wieder in das Gegenteil verkehren. Aber diese Mode ist nicht nur Mode, sondern Mache! Selbst wenn meine Bücher jetzt von keinem Menschen mehr gelesen würden, könnte mich das doch nicht im Geringsten beunruhigen, denn ich weiß, daß man sehr bald hinter diese Mache kommen und sich demgemäß verhalten wird. Ja, hätte ich meinen Lesern bloß nur Unterhaltungsfutter geliefert, so hätte ich von der Bildfläche zu verschwinden, um nie wieder aufzutauchen, und würde ganz von selbst so verständig sein, mich darein zu ergeben. Aber ich habe während meines »Lebens und Strebens« allzu viele und allzu große Fehler begangen, als daß ich so mir nichts, dir nichts untergehen und für immer verschwinden dürfte. Ich habe gutzumachen! Was der Sterbliche sündigt, das hat er zu büßen und zu sühnen, und wohl ihm, wenn ihm die Güte des Himmels erlaubt, seine Schuld nicht mit über den Tod hinüberzunehmen, sondern sie schon hier zu bezahlen. Das will ich tun; das darf ich tun, und das werde ich tun! Ja, ich behaupte kühn: das habe ich schon getan! Dem irdischen Gesetze habe ich schon längst Alles gegeben, was es von mir zu fordern hatte; ich bin ihm nichts mehr schuldig. Und was über diese von Menschen gestellten Paragraphen hinausgeht, das werde ich begleichen, indem ich das, was ich noch schreiben werde, dem großen Gläubiger widme, der ganz genau weiß, ob ich ihm mehr als jene Andern schuldig bin, die sich besser dünken als May.
Ich bin überzeugt, daß meine Sünden, so weit sie mir anzurechnen sind, nur auf persönlichem, nicht aber auf literarischem Gebiete liegen; auf letzterem bin ich mir keiner Missetaten bewußt. Was ich mit meinen »Reiseerzählungen« erreicht habe, wird erst nach meinem Tode durch tausende von Zuschriften bekannt werden, die aber selbst dann noch nur mein Biograph zu sehen bekommt; veröffentlicht werden sie nicht. Man pries diese Werke und schwärmte für sie, bis es eines Tages einem gewissenlosen Menschen einfiel, öffentlich zu behaupten, daß ich außer ihnen auch noch andere, aber »abgrundtief« unsittliche Sachen geschrieben habe. Selbst wenn dies wahr gewesen wäre, hätte das die »Reiseerzählungen« weder innerlich noch äußerlich im Geringsten verändern können. Dennoch wurden sie von jenem Tage an zunächst mit Mißtrauen betrachtet, dann mehr und mehr verleumdet und endlich gar für direkt schädlich erklärt und aus den Bibliotheken gestoßen, in denen sie früher willkommen geheißen worden waren. Warum? Waren sie anders geworden? Nein! Hatten sich die bibliographischen Gepflogenheiten, die ethischen Gesetze verändert? Nein! Waren die Bedürfnisse der Leser andere geworden? Auch nicht! Aber aus welchem Grunde denn sonst? Einfach einer Schund- und Kolportageklique wegen, die sich vorgenommen hatte, mich, wie sie sich selbst auszudrücken pflegte, »kaput zu machen«. Aber ist es denn menschenmöglich, daß eine derartige Klique einen so großen, unbegreiflichen Einfluß aus Literatur und Kritik zu gewinnen vermag? Leider ja! Ich habe im nächsten Kapitel hiervon zu erzählen. Diese Rotte scheut sich nicht, ihre eigenen Sünden und literarischen Verbrechen auf mich zu werfen und sich als rein zu gebärden! Es gibt sogenannte Kritiker, welche mich wegen meiner Münchmeyer-Romane nun schon zehn Jahre lang mit allen möglichen Schmähungen besudelt, dem Verlage aber noch nicht einen einzigen, auch nicht den leisesten Vorwurf gemacht haben. Ich bezeichne das als eine Schande!
Man sagt, daß unsere Schundverleger jährlich fünfzig Millionen Mark aus dem deutschen Volke ziehen. Das ist fürchterlich, aber noch viel zu niedrig geschätzt. Ein einzelner Schundroman, der ein sogenannter Schlager ist, kann dem Volke mehr als fünf und sechs Millionen kosten, und es gibt Kataloge, in denen z. B. die eine Firma Münchmeyer achtundfünfzig – man lese und staune – achtundfünfzig solcher Romane zu gleicher Zeit anpreist! Man rechne; man
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