Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Frau bestand darauf, daß er nicht nach Landessitte, sondern nach christlicher Weise begraben würde. Und so geschah es. Nicht nur die Brüder und ihre Angehörigen, auch die Kaufleute von der Kolonie fanden sich zu seinem Begräbnis ein, mit dem unser neuer Gottesacker eingeweiht wurde. Die Grönländer wunderten sich über alles, was sie sahen; unseren Brüdern aber ging dieser Tod sehr nahe. Denn sie verloren viel in ihm: einen erweckten, begabten und gesegneten Zeugen des Evangeliums.
Und da hast du nun meine Geschichte von Kajarnak, dem ersten Getauften.«
Renate ergriff die Hand ihrer alten Freundin und sagte: »Ach wie ich dir danke, liebe Schorlemmer. Es ist nun alle Furcht wie verflogen, und ich fühle mich, als hätt’ ich nie von Spuk und Gespenstern gehört. Und nun will ich schlafen. Aber sage mir noch erst den Spruch von den vierzehn Engeln. Wir wollen ihn zusammen sprechen:
Abends bei Zubettegehn
Vierzehn Engel bei mir stehn;
Zwei zu Häupten,
Zwei zu Füßen,
Zwei zu meiner rechten Seit’,
Zwei zu meiner linken Seit’,
Zwei, die mich decken,
Zwei, die mich strecken,
Zwei, die führen mich sogleich
In das liebe Himmelreich.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Renate: »Und nun geh. Ich habe ja nun Schutz. Laß nur die Seitentür auf, daß mich Maline hört.«
»Gute Nacht, Renatchen!«
»Gute Nacht, liebe Schorlemmer!«
Siebzehntes Kapitel
Ein Rabennest
Der nächste Tag war Silvester.
In aller Frühe schon brach Hoppenmarieken auf, um womöglich bis Mittag wieder zurück zu sein und alles putzen und scheuern, auch ihre Vorbereitungen zu einem Silvesterpunsch treffen zu können. Sie machte heute die kurze Tour und schritt auf Küstrin zu. Es war erst sieben Uhr, als sie an dem Herrenhause vorbeikam und über den Hof hin sich mit Jeetze begrüßte, der eben die nach beiden Seiten hin einklappenden Laden des großen Eckfensters öffnete. Aus der Unbefangenheit ihres Grußes ließ sich erkennen, daß ihr die Gefangennehmung der beiden Strolche, von der sie aller Wahrscheinlichkeit nach nur zu sehr mitbetroffen wurde, nicht bekannt geworden war. Erst nach Mitternacht von einer Wanderung quer durch das Bruch in ihre Wohnung zurückgekommen, hatte sie, selbst bei den Forstackersleuten, die doch sonst wohl die Nacht zum Tage zu machen liebten, niemand mehr wach getroffen und war, als sie aufstand, wahrscheinlich die einzige Person in ganz Hohen-Vietz, die von dem Ereignis des vorigen Tages nichts wußte.
Erst zwei Stunden später versammelten sich Wirt und Gäste des Herrenhauses am Frühstückstisch. Auch Berndt, wenn ihn nicht Geschäfte riefen, war kein Frühauf, und die nicht vor vier Uhr nachmittags angesetzte Fahrt nach Guse konnte keinen Grund bieten, die bequeme, längst zu einer Art Hausordnung gewordene Gewohnheit zu unterbrechen. Tante Schorlemmer, bei Renate festgehalten, erschien noch etwas später und beantwortete die Fragen, die über das Befinden der Kranken an sie gerichtet wurden.
Das Gespräch, nachdem auch noch Dr. Leists beruhigende Worte mitgeteilt worden waren, wandte sich dann dem am Abend vorher in Hohen-Ziesar gemachten Besuche zu, dessen einzelne Momente in dem Hin und Her einer immer muntrer werdenden Plauderei noch einmal durchlebt wurden. Aus allem ging hervor, daß Drosselstein sich als der liebenswürdigste der Wirte, voll Entgegenkommen gegen Berndt, voller Aufmerksamkeiten gegen Kathinka gezeigt hatte. Als diese, die sich zum ersten Mal in Hohen-Ziesar befand, ihre Verwunderung über die sonst nirgends in der Mark vorkommende Großartigkeit der Schloßanlage geäußert hatte, hatte der Graf ohne Rücksicht auf die späte Stunde noch Veranlassung genommen, sie samt den anderen Gästen durch die lange Zimmerflucht des ersten Stockes: den Ahnensaal, die Rüstkammer und die Bildergalerie, zu führen, während zwei Diener mit Armleuchtern voranschritten. Unter dieser halb düsteren Beleuchtung war alles, an dem man bei hellem Tageslicht gleichgiltig vorüberzugehen pflegte, zu einer Art Bedeutung gekommen, und die seitabstehenden Ritter mit halbgeschlossenem Visier, die über Kreuz gelegten Lanzen, dazu die Ahnenbilder selbst, die zu fragen schienen: »Was stört ihr unser stilles Beisammensein?«, hatten eines tiefen Eindrucks auf Kathinka nicht verfehlt. Vor allem ein jugendliches Frauenporträt, das ihr seitens des Grafen als das Bildnis Wangeline von Burgsdorffs, einer nahen Anverwandten seines Hauses, bezeichnet worden war, war ihr in der
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