Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Ringöfen hat Glindow selbst , wie wir schon hervorgehoben, etwa neun, der Distrikt Glindow aber, mit seinem Innen- und Außenrevier, wohl mehr denn fünfzig. Daß sie der Landschaft zu besonderer Zierde gereichten, läßt sich nicht behaupten. Der Fabrikschornstein mag alles sein, nur ein Verschönerungsmittel ist er nicht, am wenigsten, wenn er schöntut, wenn er möchte . Und wie dieser reiche Betrieb, der unbestreitbar, trotz Stillstände und Rückschläge, ein sich steigerndes Prosperieren einzelner oder selbst vieler geschaffen hat, die Landschaft nicht schmückt, so schmückt er auch nicht die Dörfer, in denen er sich niedergelassen hat. Er nimmt ihnen ihren eigentlichen Charakter, in richtigem unsentimentalen Verstande ihre Unschuld, und gibt ihnen ein Element, dessen Abwesenheit bisher, und wenn sie noch so arm waren, ihr Zauber und ihre Zierde war – er gibt ihnen ein Proletariat. Ob dasselbe städtisch oder dörfisch auftritt, ob es mehr verbittert oder mehr elend ist, sind Unterschiede, die an dem Traurigen der Erscheinung nicht viel zu ändern vermögen.
Auch Dorf Glindow hat von diesem allem sein geschüttelt Maß. An und für sich ausgestattet mit dem vollen Reiz eines havelländischen Dorfes, hingestreckt zwischen See und Hügel, schieben sich doch überall in das alt-dörfliche Leben die Bilder eines allermodernsten frondiensthaften Industrialismus hinein, und die schönen alten Bäume, die mit ihren mächtigen Kronen so vieles malerisch zu überschatten und zu verdecken verstehen, sie mühen sich hier umsonst, diesen trübseligen Anblick dem Auge zu entziehen.
Am See hin, um die Veranden der Ziegellords, rankt sich der wilde Wein, Laubengänge, Clematis hier und Aristolochia dort, ziehen sich durch den Parkgarten, Tauben stolzieren auf dem Dachfirst oder umflattern ihr japanisches Haus – aber diese lachenden Bilder lassen die Kehrseite nur um so dunkler erscheinen: die Lehmstube mit dem verklebten Fenster, die abgehärmte Frau mit dem Säugling in Loden, die hageren Kinder, die lässig durch den Ententümpel gehn.
Es scheint, sie spielen; aber sie lachen nicht; ihre Sinne sind trübe wie das Wasser, worin sie waten und plätschern.
VIERTER TEIL: SPREELAN D
Vorwort
Wie sich Band II und III der Oder und Havel zuwendet, so wendet sich dieser IV. Band der Spree zu, dem Laufe des Flusses von Ost nach Westen hin folgend.
In dem der Lausitz angehörigen Spreewalde beginnend, verweilt Band IV, nach einem kurzen Abstecher ins Beeskow-Storkowsche, zu größrem Teil auf jener nur wenige Meilen messenden Strecke, wo die Spree die Grenze zwischen dem Barnim und dem Teltow zieht, und schildert hier eine nicht unbeträchtliche Zahl der im östlichen Halbkreis um Berlin herum gelegenen Ortschaften. Und so wird sich auch in bezug auf diesen vierten Band sagen lassen, daß sich der Inhalt desselben in allem Wesentlichen seinem Titel anschließt. Als Ausnahme könnte nur der Schlußabschnitt »An der Nuthe« gelten, aber auch dieser mehr dem Schein als der Wirklichkeit nach, insoweit die Nuthe vorwiegend einen Spree landscharakter hat, vorwiegend unsern Spree territorien angehört und erst im letzten Moment ihren bis dahin ausschließlich nordwärts gerichteten Lauf in plötzlich nord westlicher Biegung zugunsten der Havel abändert, fast als wär ihr die Spree, nachdem diese Berlin passiert, nicht mehr anheimelnd genug.
Die Kapitel auch dieses IV. Bandes entstanden zu sehr verschiedener Zeit, weshalb einige der älteren und ältesten einer eingehenden Umarbeitung unterzogen wurden, allerdings immer nur in dem Falle, daß etwas tatsächlich Neues geboten werden konnte, wie beispielsweise bei »Saalow«, »Friedrichsfelde« (Gabriel Lukas Woltersdorf) und »Großbeeren«. Am meisten in dem Kapitel »Buch«, wo die mittlerweile publizierten Tagebücher der Gräfin Voß, gebornen von Pannewitz, einen völligen Umguß der alten Form erheischten. Auf Hervorhebung bloß baulicher Veränderungen, insonderheit wenn sie das in den betreffenden Kapiteln Erzählte gar nicht oder nur sehr nebensächlich berührten, hab ich meistens verzichtet und immer nur angedeutet, daß dieselben überhaupt stattgefunden hätten. Ein Abweichen von dieser Regel würde mich gezwungen haben und auch in alle Zukunft weiter zwingen, immer neue Contrôlreisen eintreten zu lassen. Was sich selbstverständlich verbietet. Es gilt eben auch hier wieder, was ich schon im Vorworte zu Band III über diesen Punkt geäußert habe.
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