Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Zitz und selbst mit ockerfarbenem Kattun begnügten.
Die wendische Predigt entzieht sich unserer Contrôle, das Schluchzen aber, das laut wird, ist wenigstens ein Beweis für die gute Praxis des Geistlichen. Er steht zudem in der Liebe seiner Gemeinde, und wo diese Liebe waltet, ist auch unschwer das Wort gefunden, das eine Mutter, die den Sohn, oder eine Witwe, die den Mann begrub, zu den ehrlichsten Tränen hinreißt.
Und nun schweigt die Predigt, und eine kurze Pause tritt ein, während welcher der Geistliche langsam und sorglich in seinen Papieren blättert. Endlich hat er beisammen, was er braucht und beginnt nun die Aufgebote, die Geburts- und Todesanzeigen zu lesen, alles in deutscher Sprache. Bemerkenswert genug. Die Predigt, die mehr dem Ideale dient, durfte noch wendisch sein; aber sowie sich’s um ausschließlich praktische Dinge zu handeln beginnt, sowie festgestellt werden soll, was im Spreewalde lebt und stirbt, wer darin heiratet und getauft wird, so geht es mit dem Wendischen nicht länger. Der Staat, der bloß mit deutschem Ohre hört und nicht Zeit hat, in aller Eil auch noch Wendisch zu lernen, tritt mit der nüchternsten Geschäftsmiene dazwischen und verlangt deutsches Aufgebot und deutsche Taufscheine.
Wer wollt ihm das Recht dazu bestreiten?
Und nun ist der Gottesdienst aus, und steif und stattlich gehen die Männer und Frauen an uns vorüber. Ihre Köpfe sind charaktervoll, aber nicht hübsch; ihre Haltung voll Würde. Wir warteten die letzten ab und kehrten dann erst in unsern Gasthof zurück, wo wir uns eine halbe Stunde später durch Kantor Klingestein – eine Spreewaldsautorität, an die wir von Berlin her empfohlen waren – begrüßt sahen.
Er übernahm unsere Führung.
2. Lehde
Er übernahm unsere Führung, sagt ich, und nach kurzem Gange durch Stadt und Park erreichten wir den Hauptspreearm, auf dem die für uns bestimmte Gondel bereits im Schatten eines Buchenganges lag. Drei Bänke mit Polster und Rücklehne versprachen möglichste Bequemlichkeit, während ein Flaschenkorb von bemerkenswertem Umfang – aus dem, sooft der Wind das Decktuch ein wenig zur Seite wehte, verschiedene rot und gelb gesiegelte Flaschen hervorlugten – auch noch für mehr als bloße Bequemlichkeit sorgen zu wollen schien. Am Stern des Bootes, das lange Ruder in der Hand, stand Christian Birkig, ein Funfziger mit hohen Backenknochen und eingedrückten Schläfen, dem für gewöhnlich die nächtliche Sicherheit Lübbenaus, heut aber der Ruder- und Steuermannsdienst in unserem Spreeboot oblag.
Wir stiegen ein, und die Fahrt begann. Gleich die erste halbe Meile ist ein landschaftliches Kabinettstück und wird insoweit durch nichts Folgendes übertroffen, als es die Besonderheit des Spreewaldes: seinen Netz- und Inselcharakter, am deutlichsten zeigt. Dieser Netz- und Inselcharakter ist freilich überall vorhanden, aber er verbirgt sich vielfach, und nur derjenige, der in einem Luftballon über das vieldurchschnittene Terrain hinwegflöge, würde die zu Maschen geschlungenen Flußfäden allerorten in ähnlicher Deutlichkeit wie zwischen Lübbenau und Lehde zu seinen Füßen sehen.
Der Boden dieses Inselgewirrs ist fast überall eine Gartenerde. Der reiche Viehstand der Dörfer schuf hier von alters her einen Düngeruntergrund, auf dem dann die Mischungen und Verdünnungen vorgenommen werden konnten, wie sie dieses oder jenes Produkt des Spreewaldes erforderte.
Die Wassergewächse, die von beiden Seiten her uns stromaufwärts begleiten, bleiben dieselben; Butomus und Sagittaria lösen sich untereinander ab, und nur hier und da gesellt sich, unter dem überhängenden Rande geborgen, eine wuchernde Vergißmeinnicht-Einfassung hinzu.
Es ist Sonntag, die Arbeit ruht, und die große Fahrstraße zeigt sich verhältnismäßig leer; nur selten treibt ein mit frischem Heu beladener Kahn an uns vorüber, und Bursche handhaben das Ruder mit großem Geschick. Sie sitzen weder auf der Ruderbank, noch schlagen sie taktmäßig das Wasser, vielmehr stehen sie grad aufrecht am Hinterteile des Boots, das sie nach Art der Gondoliere vorwärts bewegen. Dies Aufrechtstehen, und mit ihm zugleich ein beständiges Anspannen all ihrer Kräfte, hat dem ganzen Volksstamm eine Haltung und Straffheit gegeben, die man bei der Mehrzahl unserer sonstigen Dorfbewohner vermißt. Und zwar in den armen Gegenden am meisten. Der Knecht, der vornüber im Sattel hängt oder, auf dem Strohsack seines Wagens sitzend, mit einem schläfrigen
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