Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Lager ist leicht gefunden und dem Müden noch leichter gebettet. Durch das Gazefenster zieht die Luft, die Akazie draußen bewegt sich hin und her, und die Tauben auf dem eingerahmten Geburtstagswunsch am Bettende werden immer größer. Und nun fliegen sie fort, und – meine Träume fliegen ihnen nach.
Aber nicht auf lange. Das Picken des Nagelschmieds von der Ecke gegenüber weckt mich, und während die Frühstücksstunde kommt und die braunen Semmeln neben die noch braunere Kanne gestellt werden, setzt sich die »Sternen«-Wirtin zu mir und unterhält mich von Teupitz und dem Teupitzer See.
»Ja«, so sagt sie, »was wäre Teupitz ohne den See. Wir wären längst ein Dorf, wenn wir das Wasser nicht hätten. Freilich, wir dürfen nicht mehr drin fischen, die Fischereigerechtigkeit ist verpachtet, aber das Wasser ist uns mehr als alles, was drin schwimmt. Mit gutem Winde fahren wir in sechs Stunden nach Berlin, und alles, was wir kaufen und verkaufen, es kommt und geht auf dem See. Wir bringen keine Fische mehr zu Markte, denn wir haben keine mehr, aber Garten- und Feldfrüchte, Weintrauben und Obst und Holz und Torf. Das gibt so was wie Handel und Wandel, mehr, als mancher denkt, und mehr, als wir selber gedacht haben. Große Spreekähne kommen und gehen jetzt täglich, das machen die neuen Ziegeleien. Überall hier herum liegt fetter Ton unterm Sand, und wenn Sie nachts über Groß Köris hinaus bis an den Motzner See fahren, da glüht es und qualmt es rechts und links, als brennten die Dörfer. Ofen und Schornsteine, wohin Sie sehen. Meiner Mutter Bruder ist auch dabei. Er wird reich, und alles geht nach Berlin. Viele hunderttausend Steine. Immer liegt ein Kahn an dem Ladeplatz, aber er kann nicht genug schaffen, so viel, wie gebraucht wird. Ich weiß es ganz bestimmt, daß er reich wird, und andere werden’s auch. Aber daß sie’s werden können, das macht der See .«
Die »Stern«-Wirtin verriet hier eine bemerkenswerte Neigung, sich über die Vermögensverhältnisse von »ihrer Mutter Bruder« ausführlicher auszulassen, weshalb ich, ohne jede Neugier nach dieser Seite hin, die Frage zwischenwarf: wem denn eigentlich der See gehöre, was er Pacht trage und wer ihn gepachtet habe.
»Der See gehört zum Gut. Zum Gut gehören überhaupt zweiunddreißig Seen, aber der Teupitz-See ist der größte. Der Fischgroßhändler in Berlin, der ihn vom Gut gepachtet hat, zahlt 800 Taler, und die Teupitzer Fischer, die hier fischen und die Fische zu Markte bringen, sind nicht viel mehr als die Tagelöhner und Dienstleute des reichen Händlers. Meiner Mutter Bruder…«
»800 Taler«, unterbrach ich, »ist eine große Summe. Ich kenne Seen, die nur vier Taler Pacht bezahlen. Ist der Teupitz-See so reich an Fischen?«
»Ob er’s ist! Die Stadt führt nicht umsonst einen Karpfen im Wappen. Unser See hat viel Fische und schöne Fische; freilich, wenn der Zanderzug fehlschlägt –«
»Der Zanderzug ?«
»Ja. Er ist nur einmal im Jahr, und von seinem Ausfall hängt alles ab. In der Regel bringt er 600, oft 1500 Taler, mitunter freilich auch gar nichts. Dann muß das nächste Jahr den Schaden decken. Aber weil es unsicher ist, was der Zanderzug bringen wird, deshalb können unsere Fischer den See nicht pachten.«
»Wann ist der Zug?«
»Im Januar und Februar. Immer im Winter, denn die Netze werden unteren Eis gespannt und gezogen. Es ist jedesmal ein Festtag für Teupitz.«
Die »Stern«-Wirtin begann nun mit vieler Lebhaftigkeit, mir die verschiedenen Phasen des Zanderzuges zu beschreiben, dabei mehr ermutigt als gestört durch meine Fragen, die ganz ernsthaft darauf aus waren, das Verfahren nach Möglichkeit kennenzulernen. Die Handgriffe beim Spannen und Ziehen der Netze blieben mir aber unklar, und nur soviel sah ich, daß es die größte Ähnlichkeit mit einer Treibjagd, und zwar mit einem Kesseltreiben, haben müsse. Die Fischer, wohlvertraut mit dem See, fegen mittelst weitgespannter Netze den Zander in ihnen bekannte Kesselvertiefungen hinein, umstellen ihn hier und schöpfen ihn dann, wie man Goldfischchen aus einem Bassin schöpft, aus der fischgefüllten Tiefe heraus.
Inzwischen erfuhr ich, daß das Boot bereitläge, das mich laut Verabredung auf den See fahren sollte. Gleich vom »Goldnen Stern« aus läuft ein schmaler Gang auf die Anlegestelle zu. Rechts und links standen Hof- und Gartenzäune, sämtlich in jenen seltsamen Biegungen und Wellenlinien, die bemoostes Zaunwerk im Lauf der Jahre zu
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