Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
lieben Eltern. Genesis 47, Vers 9: ›Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens.‹« Ein grüner Kranz faßt die Inschrift ein, und Engelsköpfe schmücken die vier Ecken.
Neben Bildnis und Stein ist die Sakristeitür. In der Sakristei selbst finden wir das alte Mittenwalder Kirchenbuch, ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch, etwa 300 Jahr alt. Die Registrierungen in diesem Buch aus der Zeit von 1651 bis Neujahr 1657 rühren alle von Paul Gerhardt selber her. Seine Handschrift ist fest, dabei voll Schwung und Schönheit. Seine Aufzeichnungen schließen mit dem 28. Dezember 1656.
Bild und Stein und Buch, sie mahnen an sein Wandeln und Wirken an dieser Stätte; fehlten aber auch diese Dinge, die seinen Namen oder die Züge seiner Hand tragen, die Kirche selber – im großen und ganzen dieselbe geblieben –, sie würde dastehn zu seinem ehrenden Gedächtnis, der protestantischen Welt mehr eine Paul-Gerhardts- als eine Sankt-Moritz-Kirche. Wenig Modernes hat sich seit 200 Jahren hinzugesellt, und wohin das Auge sich wenden mag, sein Auge hat darauf geruht.
Veränderungen sollen vorgenommen werden; mögen sie mit Pietät geschehen.
Paul Gerhardt ist unbestritten der Glanzpunkt in der Geschichte Mittenwaldes, aber es hat der historischen Erinnerungen auch noch andre.
Den 31. August 1730 traf Kronprinz Friedrich unter starker Bedeckung, von Wesel aus, über Treuenbrietzen (wo er die Nacht vorher gewesen war) in Mittenwalde ein, um daselbst, vor seiner Abführung nach Küstrin, ein erstes Verhör zu bestehen. Das Truppenkommando, das ihn bis Mittenwalde geführt hatte, stand unter Befehl des Generalmajors von Buddenbrock, desselben tapferen Offiziers, der zwei Monate später dem mit der Todesstrafe drohenden König mit den Worten entgegentrat: »Wenn Ew. Majestät Blut verlangen, so nehmen Sie meines; jenes bekommen Sie nicht, solang ich noch sprechen darf.«
Kronprinz Friedrich blieb zwei Tage in Mittenwalde, vom 31. August bis 2. September. Das Verhör fand mutmaßlich am 1. statt. Er bestand es vor Generallieutenant von Grumbkow, Generalmajor von Glasenapp, Oberst von Sydow und den Geheimen Räten Mylius und Gerbett und behauptete während desselben eine »kecke und beleidigende Zurückhaltung«. Als Grumbkow ihm seine Verwunderung darüber bezeugte, antwortete er: »Ich bin auf alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Mut wird größer sein als mein Unglück.«
Garnison stand damals noch nicht in Mittenwalde; die Stadt war überhaupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner. In welchem Hause der Prinz bewacht wurde, hab ich nicht mehr ermitteln können; das »Schloß« existierte längst nicht mehr. Das Verhör fand mutmaßlich auf dem Rathause statt.
Das war im September 1730.
Fast siebenzig Jahre später, am Silvesterabend 1799, tritt noch einmal eine historische Figur auf die bescheidene Mittenwalder Bühne, um ihr sechs Jahre lang in Leid und Freud anzugehören. Sechs Jahre lang, wie Paul Gerhardt. Ein Kämpfer wie dieser, nicht mit mächtigeren, aber mit derberen Waffen. Es genügt, seinen Namen zu nennen: Major von Yorck, der spätere »alte Yorck«.
Unterm 6. November hatte der König an den damals in Johannisburg stehenden Major von Yorck geschrieben: »Mein lieber Major von Yorck. Da die jetzt verfügte Versetzung des Major von Uttenhoven vom Regiment Fußjäger als Commandeur zum dritten Bataillon des Regiments von Zenge es notwendig macht, dem Jägerregiment (in Mittenwalde) einen ganz capablen Commandeur zu geben, und Ich Mich überzeuge, daß Ihr die zu diesem wichtigen Posten erforderlichen Eigenschaften in Euch verbindet, so will Ich Euch hierdurch zum Commandeur des Jägerregiments ernennen« etc.
Am Silvesterabend 1799, an der Neige des Jahrhunderts, traf Major von Yorck in seiner neuen Garnison ein und überraschte seine Herren Offiziers auf dem Silvesterball. Die erste Begegnung war gemütlich genug, der dienstliche Ernst kam nach. Das seit 1780 in Mittenwalde stehende Jägerregiment war verwahrlost; er gab ihm einen neuen Geist, und dieser Geist war es, der sich sieben Jahre später erfolgreich in jenen kleinen Kämpfen bewährte, die dem Tage von Jena folgten. Bei Altenzaun am 26. Oktober, dreiviertel Meile südlich der Sandauer Fähre, waren es die Mittenwalder Jäger, die den Elbübergang des Blücherschen Corps zu decken hatten. Sie taten es mit Ruhm und Geschick. Die Jäger kehrten nicht nach Mittenwalde zurück. Yorck
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