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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Altarwand und Altartisch, auf schmalem Raume, begegnen wir noch einem Christuskopf auf dem Schweißtuche der heiligen Veronika, die Teilnahme jedoch, die wir diesem Bilde zuwenden, erlischt vor dem größeren Interesse, mit dem wir eines Portraits ansichtig werden, das vom Seitenschiffe her und zwischen den Pfeilern hindurch in Lebensgröße herüberblickt. Es ist nicht das Bild als solches, das uns fesselt, es ist der , den es darstellt: Neben der schmalen Sakristeitür, in schlichter Umrahmung, hängt das Bildnis Paul Gerhardts.
    Paul Gerhardt war Propst zu Mittenwalde von 1651 bis 1657 .
    Vor etwa fünfzig Jahren wurde dieses Bildnis Paul Gerhardts nach einem in der Kirche zu Lübben befindlichen Original angefertigt und der Mittenwalder Kirche, zur Erinnerung an die Zeit seines Wirkens allhier, zum Geschenk gemacht. Es ist ein gutes Bild; die Züge verraten viel Milde, doch nichts Weichliches, und die Unterschrift, ebenfalls dem Lübbener Original entnommen, lautet wie folgt:
    Paulus Gerhardus theologus in cribro satanae tentatus et devotus postea, obiit Lubbenae anno 1676, aetate 70.
    Rechts daneben befinden sich folgende Distichen:
    Sculpta quidem Pauli viva est ut imago Gerhardi,
        Cuius in ore fides, spes, amor usque fuit,
    Hic docuit nostris Assaph redivivus in oris
        Et cecinit laudes Christe benigne tuas:
    Spiritus aethereis veniet tibi sedibus hospes,
        Haec ubi saepe canes carmina sacra Deo.
    Also etwa:
    Ganz wie er lebte, sind hier Paul Gerhardts Züge zu schauen,
    Draus nur Glaube allein, Hoffnung und Liebe gestrahlt;
    Ja, er lehrte bei uns, ein wiedererstandener Assaph,
    Und er erhob im Gesang, güt’ger Erlöser, dein Lob.
    Hoch von den himmlischen Höhn steigt nieder der Heilige Geist uns,
    Singen die Lieder wir oft, die er gesungen dem Herrn.
    Paul Gerhardt, wie schon hervorgehoben, war sechs Jahre lang Propst an der Mittenwalder Kirche, und es ist höchst wahrscheinlich, daß einige der schönsten Lieder, die wir diesem volkstümlichsten unsrer geistlichen Liederdichter verdanken, während seines Mittenwalder Aufenthaltes, in Leid und Freud des Hauses und des Amtes, gedichtet wurden.
    Begleiten wir ihn auf seinem Ein- und Ausgang.
    Paul Gerhardt kam spät ins Amt. Er war bereits sechsundvierzig Jahr alt, als die Kirchenvorstände von Mittenwalde, wo der Propst Goede eben gestorben war, sich an das Ministerium der Sankt-Nikolai-Kirche zu Berlin wandten mit dem Ersuchen, einen geeigneten Mann für die Mittenwalder Propsteikirche in Vorschlag zu bringen. Die Kirchenbehörden von Sankt Nikolai waren schnell entschieden; sie kannten Paul Gerhardt, der seit einer Reihe von Jahren als Lehrer und Erzieher im Hause des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold tätig war und durch Lieder und Vorträge längst die Aufmerksamkeit aller Kirchlichen auf sich gezogen hatte. Diesen empfahlen sie. Nach zwanzigjährigem Harren sah sich Paul Gerhardt am Ziele seiner innigsten Sehnsucht, und mit dem Dankeslied »Auf den Nebel folgt die Sonn, auf das Trauern Freud und Wonn« empfing er die Vocation und trat mit dem neuen Kirchenjahr 1651 ins Amt.
    Freudig begann er es und voll guten Muts, all der Gegnerschaften und Widerwärtigkeiten Herr zu werden, an denen es von Anfang an nicht ermangelte. Neid, verletztes Interesse, gekränkte Eigenliebe – der seit Jahren an der Mittenwalder Kirche predigende Diakonus Alborn hatte darauf gerechnet, Propst zu werden – erschwerten ihm Amt und Leben, aber wenn er dann abends an dem offenen Hinterfenster seiner Arbeitsstube saß und über die Stadtmauer hinweg in die dunkler werdenden Felder blickte, während von der Propsteikirche her der Abend eingeläutet und eine alte Volksweise vom Turm geblasen wurde, dann ward ihm das Herz weit, und den Atem Gottes lebendiger fühlend, kam ihm selbst ein Lied und mit dem Liede Glück und Erhebung. Es war die Volksweise »Innsbruck, ich muß dich lassen«, die vom Turm herab allabendlich erklang, dieselbe alte Weise, von der Sebastian Bach später zu sagen pflegte: »er gäb all seine Werke darum hin«, und der fromme P. Gerhardt, der wohl wissen mochte, wie seine Gemeinde daran hing, trachtete jetzt danach, der schönen alten Melodie tiefere Textesworte zugrunde zu legen. So entstand das »Abendlied«:
    Nun ruhen alle Wälder,
    Vieh, Menschen, Städt und Felder,
    Es schläft die ganze Welt –
    jenes Musterstück einfachen Ausdrucks und lyrischer Stimmung, das durch einzelne daran anknüpfende Spöttereien (zum

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