Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
über -, aber freilich auch unter schätzten Epoche), ein Ton, der das heutzutage so sehr hervortretende spezialistisch Einseitige vermied und umgekehrt in dem Geltenlassen andrer Beschäftigungen und Richtungen die Pflicht und Aufgabe der Gesellschaft erkannte. Nichts war ausgeschlossen, und Scherz und Anekdote – selbst wenn sich etwas von dem Übermute der damaligen Witzweise darin spiegelte – hatten so gut ein Haus- und Tischrecht wie die Fragen über Kunst und Wissenschaft oder die speziell auch in dem Gröbener Kreise mit Vorliebe gepflegten altpreußischen Thematas von Armee und Verwaltung, von Staat und Kirche.
Sogar Landwirtschaftliches interessierte lebhaft, am meisten freilich den Grafen selbst, der, im Gegensatz zu seinem dilettantisch und skurril herumexperimentierenden Vater, eine große theoretische Kenntnis und alsbald auch ein reiches Erfahrungswissen innehatte, das ihn zu den mannigfachsten Reformen, Einrichtungen und Ankäufen gleichmäßig befähigte.
Bei dieser großen Tüchtigkeit und Umsicht in praktischen Dingen konnt es nicht ausbleiben, daß ihm mehr als einmal, und zwar jedesmal aus Regierungskreisen her, der Antrag gemacht wurde, sich seiner Gröbener Einsamkeit begeben und in die große Welt, in der er in seiner Jugend gelebt und mit der er die Fühlung nie verloren hatte, wieder eintreten zu wollen. Aber er lehnte jedes dahin zielende Wort mit der Erklärung ab: » Ich bin für Gröben bestimmt .«
Auch das Jahr 1848, das verdoppelt die Forderung einer Rückkehr in das staatliche Leben an ihn stellte, riß ihn nicht heraus; im Gegenteil, er schloß sich inniger an die Seinen an, die seiner Treue mit Treue lohnten, und während das ganze Preußen erschüttert hin und her schwankte, wurde Gröben von keinem anderen Sturm getroffen als von einem wirklichen Orkan, der denn auch die mehrhundertjährige, vor dem Herrenhause wachehaltende Linde niederwarf. Er sah sie den Morgen darauf entwurzelt am Boden liegen und ordnete an, daß sie zu Brettern geschnitten und ein Teil derselben für seinen Sarg beiseite gelegt werde. Lächelnd gab er diese Weisung, und er durft es wie wenige, denn er sah auf das Ende der Dinge mit jener Ruhe, die nur das gute Gewissen gibt. Und wie von seltner Integrität des Charakters, so war er auch von seltner Reinheit der Sitten und von noch seltnerem Edelmut. Ein Beispiel für viele. Bei Kauf und Übernahme von Gröben war ein armes Fräulein, das der Vorbesitzer als Erbin eingesetzt hatte, leer ausgegangen. Es waren eben, wie hervorgehoben, nur Schulden da. Den Grafen rührte das harte Los der Armen, und er gab ihr aus freien Stücken 6000 Taler als ein Geschenk, was in jener geldarmen Zeit als eine große Summe gelten konnte.
Dazu war er heiter und humoristisch. Als die Brennerei, zu der man sich um besserer Gutserträge willen endlich hatte bequemen müssen, unter Dach und Fach war, erhielt sie die Berliner Bibliothekinschrift: »Nutrimentum spiritus«.
Und diese gute Laune zeigte sich ganz besonders auch, als er in seine letzte Krankheit eintrat. Es fehlte selbstverständlich nicht an Aufforderungen, es, ärztlicher Behandlung halber, mit einem Berliner Aufenthalte versuchen zu wollen, aber er antwortete bloß: »Ihr wißt ja, ich bin für Gröben bestimmt ; ich war es im Leben und will es auch im Tode sein.«
Und er hatte recht gesprochen. Eine Woche später, und Meister Schreiner hobelte schon die Lindenbretter, wie’s Graf Leo gewollt, und am 27. Juli 1851 stand sein Sarg an derselben Stelle, wo damals, als die große Kutsche von Großbeeren her zurückgeschwankt war, seine Wiege gestanden hatte.
Viele Freunde kamen, und sie begruben ihn auf dem Gröbener Kirchhof und gaben dem Platz ein Gitter. Eine Stelle daneben aber ließen sie leer: eine Ruhestätte für seine Witwe.
Gräfin Emilie von Schlabrendorf,
geborne von Ryssel
Diese Witwe war Gräfin Emilie von Schlabrendorf, geborne von Ryssel. An sie ging jetzt Gröben über, in dem ihr noch, durch volle sieben Jahre hin, ein segensreiches Wirken gestattet war.
In brieflichen Mitteilungen über sie find ich das Folgende: »Die Gräfin, wie sie kurzweg genannt wurde, war eine Dame von seltener Begabung und Bildung. Was Gröben durch drei Jahrzehnte hin war, war es, ohne den mitwirkenden Verdiensten anderer zu nahe treten zu wollen, in erster Reihe durch sie. Sie gab den Ton an, sie bildete den geistigen Mittelpunkt und war – übrigens ohne schön zu sein – mit jener anmutenden Vornehmheit
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