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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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lebende Schwester des bereits 1851 verstorbenen Grafen Leo.
     
    Frau Johanna von Scharnhorst, geborne Gräfin von Schlabrendorf
    Diese noch lebende Schwester des Grafen Leo war Frau Johanna von Scharnhorst, geborne Gräfin von Schlabrendorf. Sie trat ihr Erbe (Gut Gröben) an, und da sie, wie weiterhin erzählt werden wird, einige Jahrzehnte vorher auch in den Besitz von Siethen gekommen war, so waren jetzt beide alt-Schlabrendorfschen Güter wieder in Händen einer geborenen Schlabrendorf vereinigt. Freilich nur auf kurze Zeit. Ein Jahr nur, von 1858 bis 1859. Eh ich aber von diesem Wiederaufgeben des Gesamtbesitzes spreche, sprech ich, zurückgreifend, über den Lebensgang der Frau von Scharnhorst bis zu jenem Zeitpunkte (1858), wo Gröben ihr zufiel.
    Comtesse Johanna wurde, wie schon hervorgehoben, am 22. April 1803 aus der zweiten Ehe des Grafen Heinrich von Schlabrendorf, die derselbe mit einem Fräulein von Mecklenburg geschlossen hatte, geboren. Es scheint, die Mutter starb früh und überließ Erziehung und Fürsorge dem exzentrischen Vater, der sich dieser Aufgabe denn auch auf seine Weise, das heißt widerspruchsvoll, unterzog. Er liebte die Kleine schwärmerisch und duldete beispielsweise nicht, daß sie von jemand anderem als von ihm oder einer ihr beigegebenen Bonne berührt wurde. Sollte sie spazierenfahren, so stand er bereit, um ihr kavaliermäßig die Hand zu reichen oder sie, solange sie noch klein war, in den Wagen hineinzuheben. Aber diese Galanterien erfuhren doch auch wieder Ausnahmen und waren jedenfalls von nicht allzu langer Dauer. Als die Reisepassion über ihn kam, schwand ihm die Lust, sich um das Comteßchen noch weiter zu kümmern, und er begnügte sich von nun an damit, sie nach hierhin und dorthin in allerlei Pensionen zu geben, am liebsten in ländliche Pfarrhäuser, in denen oft die wunderlichsten Zustände herrschten und Albernheiten und Unpassendheiten um den Vorrang stritten. Aber all dies berührte sie wenig, und glücklichere Tage kamen, als der alte Graf mehr und mehr zurücktrat und die mütterliche Verwandtschaft der immer reizender werdenden Comtesse sich dieser anzunehmen begann. In Sommerzeit war sie mit in den Ostseebädern, am häufigsten in Doberan, und in einer Vier-Schimmel-Equipage ging es dann über die Felder hin oder auch wohl bis an den Heiligendamm, wo zweierlei gleich Wichtiges und gleich Großes zu sehen war: der Hof und das Meer.
    Aber dies alles liegt unbestimmt zurück, und klarere Bilder treten uns aus dem Jugendleben der Gräfin erst von dem Tag an entgegen, wo sich die gesamte Familie, Geschwister und Vetterschaft, in Trier zusammenfand, um im Hause des alten General von Ryssel die Vermählung zwischen Emilie von Ryssel und Graf Leo von Schlabrendorf zu feiern. Unter den Schlabrendorfs, die mit erschienen waren, war auch Comtesse Johanna, damals erst siebzehn Jahr alt, und der alte Spruch sollte sich bei dieser Gelegenheit aufs neue bewahrheiten: »auf jeder Hochzeit eine neue Verlobung«. Ihr Tischnachbar war August von Scharnhorst, Rittmeister in dem damals zu Trier in Garnison stehenden 8. Ulanenregiment und ungefähr um dieselbe Zeit, in der Graf Leo das schwiegerelterliche Haus in Trier aufgab, um das kurz zuvor erstandene Gröben zu beziehen, erfolgte die Verlobung und bald danach auch die Verheiratung des tischnachbarlichen Paares: des Rittmeisters August von Scharnhorst und der Comtesse Johanna von Schlabrendorf.
    Aber auch die Tage dieses Paares waren in Trier gezählt. Wie Gröben, so geriet auch Siethen, das seine Besitzer innerhalb der letzten dreißig Jahre mehrfach gewechselt hatte, mal wieder zu Verkauf, und Graf Leopold, als er davon hörte, fragte sofort bei Schwester und Schwager an, »ob sie vielleicht geneigt seien, das plötzlich wieder frei gewordene Siethen käuflich an sich zu bringen«. Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde die Frage wahrscheinlich mit einem »Nein« beantwortet oder noch viel wahrscheinlicher gar nicht gestellt worden sein, in Trier aber lagen die Dinge bereits außerhalb des Gewöhnlichen, indem August von Scharnhorst durch einen Sturz vom Pferde sich sehr erheblich, und zwar bis zur Dienstunfähigkeit, verletzt, auch infolge davon sein Entlassungsgesuch bereits eingereicht hatte. So wurde denn freudig zugestimmt und 1825 der Ankauf von Siethen bewerkstelligt, das nun – so wenigstens ging der Plan – für das junge Scharnhorstsche Paar eine gleich glückliche Heimstätte werden sollte, wie das

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