Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
meist Dinge, die viel weiter in unsere Geschichte zurückgehen als die »großen Blauen« von Potsdam.
Die Residenz dieses Fleckchens Erde heißt Blankensee. Hier haben die Thümens ihr Herrenhaus, hier ihre Kirche, ihre Gruft. Auch an Sagen fehlt es nicht, in denen irgendein Vorbesitzer, aber immer ein Thümen, seine halb spukhafte Rolle spielt. Wir werden in der Folge noch davon zu erzählen haben.
Es war Mittagsstunde, als wir vor dem Gasthause hielten. Der Wagen fuhr in den breiten Schatten einer Linde, während wir uns rüsteten und mit den Augen überallhin umherfragten. Unser erstes war ein Gang durch das Dorf. Am schönsten gelegen ist das Herrenhaus. In Front ein Elsenbruch, an den Flügeln zwei breite Seespiegel, und zwischen Schloß und Park ein Wasserlauf, der diese beiden Seeflächen verbindet – das ist in großen Zügen die Szenerie. Das Gesträuch des Parkes wuchs weit über das Wässerchen hin und schuf einen Laubengang, unter dem die Enten auf und ab fuhren und sich’s wohl sein ließen.
Inzwischen brannte die Sonne mehr und mehr, und die Schatten des Parkes luden uns zum Verweilen ein. Aber es war doch schließlich ein anderes, was uns hierhergeführt hatte, weshalb wir denn auch Park und Schloß aufgaben, um uns zunächst eines sagen- und landeskundigen Blankenseers zu versichern.
Der Zufall wollt uns wohl, und am Dorfrande wurden wir alsbald eines Mannes ansichtig, der, in einem offenen Torwege stehend, unserm unsichren Umhersuchen schon seit einiger Zeit gefolgt zu sein schien. Als er uns auf sich zukommen sah, kam er uns seinerseits unter artigem Gruß entgegen. Es war ein großer, schöner Mann von militärischer Haltung, dabei zugleich von jener ruhigen Sicherheit wie sie die bibelfesten Leute zu haben pflegen. Es entspann sich folgendes Gespräch.
»Wir wollen auf den Kapellenberg. Können Sie uns den Weg zeigen?«
»Ich kenn ihn nicht. Aber nach dem, was ich gestern gehört, ist er nicht zu fehlen.«
»So sind Sie nicht von Blankensee?«
»Nein. Ich bin erst seit acht Tagen hier.«
»In der Schäferei?«
»Ja.«
»Der Schafmeister?«
»Nein. Ich bin sein Knecht.«
Mein Begleiter und ich sahen einander an, und eine kleine Pause trat ein. Der unumwundenen Erklärung: »Ich bin dieses oder jenes Mannes Knecht«, begegnet man in Städten niemals und auf dem Lande nicht allzu häufig. Man sucht sich ausweichend zu helfen, so gut es geht. »Ick bin bi Schulz Borchardten sine Peerd«, so oder ähnlich wird das Wort umgangen. Was uns aber in dem vorliegenden Falle noch ganz besonders frappierte, war das korrekte Deutsch und der männliche und zugleich bescheidene Freimut, in dem die Antwort gegeben wurde. Diese so seltene Demut und Wahrheitsliebe verfehlte nicht eines Eindrucks auf uns, und wir freuten uns, als unser neuer Bekannte darum bat, uns begleiten zu dürfen. Er war, wie sich bald ergab, aus der Provinz Sachsen, hatte in der Garde gedient und war dann sechs oder sieben Jahre lang der Diener in einem altlutherischen Hause und der Pfleger eines einzigen gichtbrüchigen Sohnes gewesen. So war denn vieles erklärt. Was ihn aus der großen Stadt in dies abgelegene Dorf geführt, erfuhren wir nicht.
Erst über ein breites Brachfeld hin und bald danach einen Waldweg hinauf, erreichten wir die Kuppe des unser nächstes Ziel bildenden Kapellen berges und betraten den alten Bau, der seinerzeit diesem Berge den Namen gegeben. Zwei Wände sind eingestürzt zwei stehen noch, so daß es auch für den Laien ein leichtes ist, sich alles wieder in Vollständigkeit vorzustellen. Es war eine gotische Kapelle, zehn Schritt im Quadrat, nach allen vier Seiten hin offen, genau nach Art jener Baldachine, denen man in alten Domen so oft über dem Altar begegnet.
Ob dieser Bau vordem ein Wallfahrtsort war, ist schwerlich noch mit Sicherheit festzustellen, aber das scheint mir gewiß, daß er kirchlichen Zwecken und nur solchen diente. Die Konsolnische, darauf das Muttergottesbild stand, ist noch wohlerhalten, und so muß es denn einigermaßen überraschen, in selbst guten Büchern auf folgende Versicherungen zu stoßen: »Es verrät nichts hier, daß das Gebäude jemals kirchlichen Zwecken gedient haben könne. Der Zweck desselben war ein militärischer; es war eine Burgwarte . Das Gemäuer zeugt von hohem Altertum, und es ist mindestens möglich, daß es, wenn nicht aus der Slawenzeit, so doch aus der Zeit der deutschen Eroberung stammt. Es diente wohl als Zwischenstation für die Burgen Trebbin
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