Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
entschlafen sei«, das Bildnis aber vervollständigte diese kurze Mitteilung in einem ihm angefügten Reimspruche:
Hier liegt begraben ohne Qual
Kuno von Thümens ehlich Gemahl,
Die tugendsam Frau Anna gut
Von Schlabrendorf, das edle Blut,
Welche gegeben war von Gott
Dem Kuno von Thümen bis an den Tod.
Als ihm eine Tochter sie gebar,
Zählte sie siebenundsechzig Jahr .
Am ersten Jännertag es war.
Sei ihr gnädig, Herr und Gott,
Und helf auch uns aus aller Not.
Sowenig befriedigend diese Reime sein mögen, so trefflich ist das Bild, unter dem sie stehen. Es ist gute Lucas Cranachsche Schule. Nach Sitte der Zeit Sündenfall, Gesetzgebung, eherne Schlange, Kreuzigung und Auferstehung, alles dicht nebeneinanderstellend, gibt es auf engem Raume den Hauptinhalt der christlichen Heilslehre.
Dies Bild, zum Gedächtnis Anna von Schlabrendorfs gemalt, ist, wie das künstlerisch beste, so auch das interessanteste, was die Kirche bietet. Keineswegs aber ist die Reihe der Sehenswürdigkeiten und Erinnerungsstücke damit abgeschlossen. In einer Ecke, beinah unmittelbar über dem vorerwähnten Grabstein, hängen Schwert und Sporen eines längst heimgegangenen von Thümen, und in der Höhe des neuerbauten Turmes befinden sich die durch den ganzen Thümenschen Winkel hin bei jung und alt bekannten »Glocken von Blankensee«, daran allerlei Sagen anknüpfen, wie an den Kapellenberg.
Es war um die vierte Stunde fast, als wir aus dem Kirchhofstor wieder in die Dorfgasse hinaustraten. Hier hatte sich inzwischen das Bild verändert: die Stille des Sonntagvormittags war hin, und die Heiterkeit des Nachmittags hatte begonnen. Um die Dorflinde drehte sich das junge Volk im Ringelreihen, und die Dirnen – wie immer tanzlustiger als das männliche Element – deckten jedes Defizit durch Anleihen bei sich selbst. Wir sahen auf das fröhliche Treiben, und hätt uns jemand die Ehre angetan, wir hätten’s wohl auf jede Gefahr hin selber noch gewagt. Aber die Versuchung blieb aus, und unser Wagen fuhr vor.
Und nun mahlten wir wieder durch den Sand. Eine Weile noch, wenn wir uns umsahen, sahen wir die springende Bewegung und die roten Tücher. Dann aber kam eine Biegung des Weges, alles, was Bild gewesen, war hin, und nur die Posaunen markierten noch den Takt und erzählten uns von dem lustigen Volk in Blankensee, »der Residenz des Thümenschen Winkels«.
Trebbin
Und ein Haus mit Giebelspitzen
Hat uns gastlich aufgenommen,
Läßt uns freundlich niedersetzen
Auf der Bank, der blanken, alten,
Die, mitsamt dem schmalen Tische,
Dem Jahrhundert standgehalten
Hier in dieser Fensternische.
G. Hesekiel
Ein junger Jurist, ein sogenannter Gardeassessor, war nach Trebbin verschlagen worden. Was ihn hierhergeführt, ob Schuld, ob Liebe, wer sagt es? Wahrscheinlich war es einfach die lockende Nähe der Hauptstadt, ein Fehler (un crime vaut mieux qu’une faute), für den er nun zu büßen hatte. Tag um Tag saß er an der »Table d’hôte« des damals einen und einzigen Gasthauses. So vergingen Monde. Die Zeit schien endlos.
Einmal, an einem stillen Sommersonntage, setzte man sich wieder zu Tisch. Die Fenster standen auf, und man hörte nichts als den Starmatz, der in seinem Käfig auf und ab sprang, und das Zusammenschlagen der Bälle vom dritten Zimmer her, wo zwei Trebbiner Commis sich im Billard und im Französischen übten. Es gab Kalbsbraten und Salat. Dem Assessor gegenüber saß die Wirtin, eine blasse Dame von dreiunddreißig, mit Korkzieherlocken, eine jener Hagern und Hochaufgeschossenen, die von alter Zeit her das Vorrecht haben, sich »unverstanden« zu fühlen. Und was das Schlimmste war, auch der Assessor hatte das Verständnis nicht finden können. Er schob eben eine Gartenschnecke, die sich beim Salatnehmen durch Klappern auf dem Teller bemerkbar gemacht hatte, leise-verlegen auf den Tellerrand, sah sich um und stellte zu besserer Cachierung (und vielleicht auch eine Vorahnung im Gemüte) die große Wasserkaraffe zwischen sich und die Wirtin. Aber was er vermeiden wollte, beschwor er nur herauf: die Wasserkaraffe begann als Vergrößerungsglas zu wirken, und die Schnecke nahm wahre Riesendimensionen an. Es war »Absicht«, der Affront erwiesen. So wenigstens schien es. Alle dreiunddreißig Locken (sie gingen mit der Alterszahl) begannen zu zittern, und über den Tisch hin klang es in einem hohen und allerhöchsten Tone: »Herr Assessor, wenn es Ihnen bei mir nicht schmeckt, so muß ich Sie bitten, anderswo
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