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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hauptstädtischen Verbande zugehörten, begann ihm nach wenig Tagen schon ängstlich und bedrücklich zu werden, und durch all seine Heiterkeit hindurch erkannte man dann eine Unruhe, die nichts anderes war als Heimweh. Ein Gefühl, das manchem ein Lächeln abnötigen wird. Aber es war so. Der Gedanke, von einem Provinzialarzt behandelt oder wohl gar auf einem ostpreußischen Dorfkirchhofe begraben zu werden, barg etwas Trostloses für ihn, und sein alter, unerkünstelter Frohsinn kam ihm erst wieder, wenn er die beiden Gensdarmentürme und die Schloßkuppel am Horizont auftauchen sah.
    So erschien der Spätherbst 1861. Hensel sollt ihn nicht überdauern. Schön, wie er gelebt, so starb er. Eine menschenfreundliche Handlung wurde die mittelbare Ursache seines Todes. Ein Kind aufraffend, das in Gefahr war, von einem Omnibus überfahren zu werden, verletzte er sich selbst am Knie. Von da ab lag er darnieder. Am 26. November schloß sich sein Auge. Sein Tod weckte Trauer bei vielen, Teilnahme bei allen.
     
    Soviel über den Gang seines Lebens. Wir werfen noch einen Blick auf seinen Charakter, seine Begabung, seine Arbeiten, immer nur bei dem Bemerkenswertesten verweilend.
    Wilhelm Hensel gehörte ganz zu jener Gruppe märkischer Männer, an deren Spitze, als ausgeprägteste Type, der alte Schadow stand. Naturen, die man als doppellebig, als eine Verquickung von Derbheit und Schönheit, von Gamaschentum und Faltenwurf, von preußischem Militarismus und klassischem Idealismus ansehen kann. Die Seele griechisch, der Geist altenfritzig, der Charakter märkisch. Dem Charakter entsprach dann meist auch die äußere Erscheinung. Das Eigentümliche dieser mehr und mehr aussterbenden Schadow-Typen war, daß sich die Züge und Gegensätze ihres Charakters nebeneinander in Gleichkraft erhielten, während beispielsweise bei Schinkel und Winckelmann das Griechische über das Märkische beinah vollständig siegte. Bei Hensel blieb alles in Balance; keines dieser heterogenen Elemente drückte oder beherrschte das andre, und die Neuuniformierung eines Garderegiments oder ein Witzwort des Professor Gans interessierten ihn ebenso lebhaft wie der Ankauf eines Raffael.
    Seine Begabung, wie schon hervorgehoben, war eine eminent gesellschaftliche . Das bewies sein Leben bis zuletzt. Er exzellierte am Festtisch, war ein immer gern gesehener Gast, heiter, gesprächig, jedem Scherze zugeneigt und zugleich doch voll jenes feinen Ehrgefühls, das, während es selber die Grenzlinie wahrt die Linie des Schicklichen stillschweigend auch von anderen gewahrt zu wissen verlangt. So schrieb er, als er bei bestimmter Gelegenheit sich verletzt glaubte, folgendes an Graf B.:
    »Gesellschaftliche Demütigungen sind das verletzendste, was es gibt! Du weißt, daß ich Standesunterschiede ehre und liebe , ihnen auch gern die äußere Anerkennung zolle; allein der Höhere, der mich durch Annäherung ehrt, muß auch die Überzeugung fühlen, daß ich meine eigene unantastbare Ehre habe. Nur diesem festen Gange meines Lebens, nie andringend, aber auch nie schmiegsam zurückweichend, hab ich wohl das reiche Maß von Huld und Güte zu danken, welches mir bisher geworden ist. Und wie ich war, werd ich bleiben.«
    Er war heiter und gesprächig, so sagt ich. Die Anekdote, der Toast, der Versebrief, das Gelegenheitsgedicht – alles war ihm untertan. Seine eigentlichste Meisterschaft aber, zugleich seine vollste Eigenart, zeigte er auf dem Gebiete des Impromptu . Hier feierte er seine größten und entschiedensten Triumphe. »Bin Onkel Bonbonkel…«, »Da kommt Abeken im Trabeken« – in solchen plötzlich aufschießenden Reimen war er groß, und das geschickte Operieren mit einem epigrammatisch zugespitzten Calembour verstand er besser als einer. Er war kein Dichter, aber man hätt ihn »Wilhelm den Reimer« nennen können. Eine Sammlung dieser »geflügelten Worte«, wenn es möglich wär, eine solche noch nachträglich zu veranstalten, würd ein Witz- und Anekdotenbuch und zugleich eine Personen- und Charakterschilderung aus dem zweiten Viertel dieses Jahrhunderts sein.
    Von gesellschaftlicher Bedeutung war auch seine Kunstweise, zumal wenn wir von der Zeit absehen, wo er noch unmittelbar unter dem Einfluß Italiens und der großen Meister stand. Was er in der Gesellschaft und für die Gesellschaft schuf, das wird unter allem, was er künstlerisch geleistet, das Dauerndste sein. Es sind dies seine während eines Zeitraums von vierzig Jahren entstandenen

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