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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Portraits, die, soweit meine Kenntnis reicht, eine in ihrer Art einzig dastehende Sammlung bilden.
    Diese Sammlung, in Händen seines Sohnes Sebastian H. befindlich, besteht aus siebenundvierzig Jahresmappen, die in einem alten Schildpatt- oder Boulle-Schranke aufbewahrt werden und die ganze obere Hälfte desselben füllen. Schon die bloßen Mappendeckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab es in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde kunst , und einer solchen halb untergegangenen Kunstepoche scheinen diese Mappen anzugehören. Sie sind alle verschieden in Farbe wie Stoff; Samt, Seide, Maroquin wechseln ab; das Vergilbte und Verschossene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen sind schön erhalten; einzelne tragen auf dem oberen Deckel ein Mosaikbild oder eine Gemme. Darunter ein geschnittener Onyx von der Größe einer Damenuhr, die Entführung der Europa darstellend. Ebenso schön wie wertvoll.
    Diese siebenundvierzig Mappen nun, die von 1815 bis 1861 reichen und je nach der Jahresausbeute dünn oder voluminös sind, enthalten nicht weniger als 1027 Portraitköpfe. Man darf sagen, alles oder doch fast alles, was in diesem langen Zeitabschnitt in ganz Mitteleuropa zu Ruhm und Ansehen gelangte, das gibt sich hier ein Rendezvous. Gruppieren wir den Gesamtinhalt nach den Nationalitäten , so finden wir, außer ungezählten Deutschen, 52 Engländer, 43 Italiener, 31 Franzosen, 17 Russen und Polen, und in Einzelexemplaren gesellen sich ihnen zu: Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner, selbst ein indischer Fürst und ein Mexikaner. Lassen wir die Scheidung nach Nationalitäten fallen und gruppieren statt dessen nach Beruf und Lebensstellung , so geben die Mappen, unter Ausschluß der Fürstlichkeiten, die das stärkste Kontingent stellen, folgendes an Ausbeute: Dichter, Gelehrte, Schriftsteller 89; Architekten, Maler, Bildhauer, Komponisten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauspieler und Sänger 21.
    Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schriftsteller stehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es sind: Bettina von Arnim; Maxe, Armgard, Gisela von Arnim; Boeckh; Clemens Brentano; Geheimer Rat Bunsen; Michael Beer; Dr. Carl Blum; Professor Droysen; Ehrenberg; La Motte Fouqué; Professor Gans; Goethe; Jacob Grimm; Paul Heyse; Henriette Herz; E. T. A. Hoffmann; Alexander von Humboldt; Klingemann; Th. Körner; Adam Müller; Wilhelm Müller; Müllner; Frau von Paalzow; Fürst Pückler; Leopold von Ranke; Oskar von Redwitz; Ernst Schulze (Dichter der »Bezauberten Rose«); Steffens; Tieck; Tiedge; Varnhagen und die Rahel. Wer unser Berliner Leben seit fünfzig Jahren verfolgt hat, wird hier so ziemlich jeden Namen wiederfinden, der, auf schönwissenschaftlichem Gebiet, auf längere oder kürzere Zeit in den Vordergrund getreten ist. Man beachte: Fouqué, Müllner, Hoffmann, Pückler, Dr. Carl Blum, Frau von Paalzow, Redwitz, Paul Heyse.
    Noch einige kurze Bemerkungen. Hensel hatte keine Feinde, aber er hatte, gerade was diese Portraits anging, Zweifler. Diese haben durch Schelmereien und übermütige Witzworte (der alte Humboldt sei für den schönen Karlowa gehalten worden) die Bedeutung dieser Sammlung hinwegspötteln wollen. Aber sehr mit Unrecht. Alle diese Portraitköpfe sind nicht Phantasieschöpfungen, laufen auch nicht auf ein bequemes »corriger la nature« hinaus; sie verraten vielmehr, abgesehen von einer meisterhaften, unserem Hensel ganz eigentümlichen Technik, vor allem auch eine eminente Begabung für das Charakteristische. Sonderbarerweise haben wir uns neuerdings daran gewöhnt das Charakteristische vorwiegend im Häßlichen zu suchen, anstatt uns zuzugestehen, daß das Übertreiben nach der einen Seite hin, also das Karikieren und Transponieren en laid, doch mindestens ebenso verwerflich ist als ein Zuviel en beau. Richtig geübt, ist dies eben nichts anderes als der ideale Zug in der Kunst, der doch immer der siegreiche bleiben wird.
    Die neueste Kunst- und Weltepoche, die »lichtbildnerische«, ist dem Ruhme der Henselschen siebenundvierzig Mappen allerdings nicht allzu günstig geworden. Aber wie immer dem sein möge, der größte Teil dieser Sammlung gibt doch Aufschluß über eine vor -lichtbildliche Zeit und wird über kurz oder lang einen Wert repräsentieren, ähnlich den Initialenbüchern des Mittelalters, aus denen oft Städte, Stände, Persönlichkeiten allein noch zu uns sprechen. Die Mappen Wilhelm Hensels werden dann ein Bibliothekenschatz sein trotz

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