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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gekommen, und ausschließlich als »Tourist« gedacht ich daheim ihn auszuführen. Jede wissenschaftliche Prätension lag mir fern. Es drängte mich nur, das eingewurzelte Vorurteil von einer hierlandes auf alle Dinge sich erstreckenden Armut und Elendigkeit zu bekämpfen und durch Hinweis auf diesen oder jenen Schönheits- beziehungsweise Berühmtheitspunkt unsrem so gern in die Ferne schweifenden Märker zu Gemüt zu fuhren: »Sieh, das Gute liegt so nah.«
    Und so fuhr ich denn in meine spezielle Heimat, ins Ruppinsche , hinein und begann in seinen Luch- und Bruchdörfern umherzuwandern, den Rhin und die Dosse hinauf und hinunter, und gleich das erste Kapitel, das ich schrieb, ergibt denn auch bis diese Stunde, wie lediglich touristenhaft ich meine Sache damals auffaßte.
    Dies erste Kapitel behandelte »Wustrau«, das am Ruppiner See gelegene Herrenhaus des alten Zieten. Es fiel mir nicht ein, unter dieser Überschrift irgend etwas auf historischem Gebiete Neues über den berühmten alten Husarenvater erzählen zu wollen, vielmehr lief in meinem Vorhaben alles auf etwa folgende Betrachtung und Ansprache hinaus:
    »Ihr kennt alle den alten Zieten, den Zieten aus dem Busch, der auf dem Wilhelmsplatze steht und zu dem der Alte Fritze sagte: ›Zieten, setz Er sich.‹ Und ist auch derselbe, der den Zieten-Ritt ausführte, den unser Scherenberg in wahren Steeplechase-Versen besungen hat, und ist endlich auch der, der bei Torgau nicht lockerließ und die Schlacht gewann, die der König schon verloren glaubte… Nun seht, dieser alte Zieten ist nicht so bloß spurlos aus dieser Zeitlichkeit geschwunden und sitzt auch nicht so bloß, wie’s uns unser Chodowiecki, glaub ich, gezeichnet hat, oben im Himmel und regiert da mit Gott und dem Alten Fritzen um die Wette, nein, nein, er ist auch noch diesseits zu finden, und wenn ihr nur an den rechten Fleck Erde kommt, so wird sich euch noch allerhand auftun, Kleines und Großes, das an ihn erinnert. Und dieser Fleck Erde liegt am Ruppiner See. Da geht nur hin, und wenn ihr erst da seid, so werdet ihr daselbst nicht bloß das Herrenhaus sehen, das er gebaut, und den Park, den er angelegt hat, sondern zugleich auch seinen Grab stein an der äußeren Kirchenwand und sein stattliches Grab denkmal im Innern der Kirche. Ja, wenn ihr Glück habt und es trefft, daß die Herrschaften oben ausgefahren oder wohl gar verreist sind, so könnt ihr am End auch den Säbel sehen, den der Alte nie zog (ein einzig Mal abgerechnet, wo’s ihm ans Leben ging), und könnt auch vielleicht in den Husaren-Ahnensaal eintreten, in dem all die rotröckigen und schnauzbärtigen Zietenschen Offiziere hängen, die den Siebenjährigen Krieg mit durchgefochten haben. All das könnt ihr da sehen und nebenher auch noch dies und jenes hören, allerlei Schnurren und Anekdoten, die von Mund zu Munde gehn. Und wenn ihr dann weiterfahrt, dann werdet ihr ungefähr dasselbe denken, was ich seinerzeit gedacht habe: ›Weit hinaus über alles Erwartete!‹«
    Ja, vorfahren vor dem Krug und über die Kirchhofsmauer klettern, ein Storchennest bewundern oder einen Hagebuttenstrauch, einen Grabstein lesen oder sich einen Spinnstubengrusel erzählen lassen – so war die Sache geplant, und so wurde sie begonnen. Und sehr wahrscheinlich auch, daß es dabei geblieben wäre, wenn es dabei hätte bleiben können . Allein, dies verbot sich. Ein Vorgehen, wie das eben geschilderte, hatte doch immer ein bestimmtes Maß von Kenntnis und Interesse zur Voraussetzung und mußte von dem Augenblick an hinfällig werden, wo die Voraussetzung selbst es ward und mich im Stiche ließ. In dem Wustrau-Kapitel lagen die Dinge bequem, Wustrau war ein Idealstoff, aber solcher Stoffe gab es in ganz Mark Brandenburg eigentlich nur noch drei: Rheinsberg, Küstrin und Fehrbellin. Über diesen Kreis hinaus versagte sofort das Vorweg-Interesse, weil das Wissen zu versagen anfing, und schon bei Tamsel und Alt-Möglin, bei Friedersdorf und Friedland ergaben sich arge Verlegenheiten. In ihnen waren einerseits die Schönings und Barfus’ und andrerseits die Marwitz’ und die Lestwitz’ zu Hause. Wer aber waren die Schönings’ und die Barfus’? Und wer waren die Marwitz’ und die Lestwitz’? Und das Recht zu dieser Frage nur einen Augenblick zugestanden, war auch die Pflicht zugestanden, sie zu beantworten.
    Eine Folge davon war, daß ich aus dem ursprünglichen Plauderton des Touristen in eine historische Vortragsweise hineingeriet, und Band II

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