Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
vom Engländer galt und eigentlich immer noch gilt: »in der Fremde bedrückend, aber zu Haus entzückend«, ebendasselbe geflügelte Wort ist auch anwendbar auf unsren Adel. Und weshalb? Einfach deshalb, weil er sich daheim, an seinem eignen Herd, in sein volles Gegenteil zu verkehren und aus der Starrheit seines non possumus in ein alle Welt sympathisch berührendes laisser passer überzulenken weiß. Er ist eben über Nacht ein andrer geworden. Nicht mehr in die Defensive gestellt, nicht mehr ein kreis- oder reichstäglich Belagerter, der sich, in strikter Befolgung alter Taktik, am besten durch Ausfälle zu schützen glaubt, entäußert er sich einer ihm schließlich selbst unbequem werdenden Stachelrüstung und kleidet sich in das Selbstgespinst seiner vorvorderlichen Tugenden. Und diese Tugenden heißen: ein gut Teil Gutmütigkeit, ein noch größeres von gesundem Menschenverstand und ein allergrößtes von Kritik. Und diese Kritik ist das Beste. Mit einem seiner Zuhörerschaft sich alsbald mitteilenden Behagen beginnt er plötzlich alles unter die Loupe seiner ihm angebornen Skepsis zu nehmen und dabei Radikalismen laut werden zu lassen, Urteile von einer Fortgeschrittenheit, als flösse nicht die Nieplitz oder die Notte, sondern mindestens der Hudson oder Potomac an seinem alten Feldsteinturm vorüber. All das freilich nur als jeu d’esprit ohne die geringste Neigung, sich anderntags in allernüchternster Morgenfrühe daran erinnern oder wohl gar beim Worte nehmen zu lassen, aber auch als bloßes Spiel schon erweist es sich als bemerkenswert und verrät uns zur Genüge, daß etwas Helles und Gewitztes, etwas Esprit-fort-haftes in ihm steckt und daß die Wurzel jener Selbstsucht , die so vorzugsweis an ihm mißfällt, in allem möglichen, nur nicht in der Enge seines Geistes zu suchen ist. Er ist vielmehr umgekehrt von einem scharfen und eindringenden, ja, soweit lediglich praktische Dinge mitsprechen, von einem umfassenden Blick und führt seinen Existenzkampf nicht deshalb so hart und erbittert, weil er des Gegners Recht verkennte, sondern gerade deshalb, weil er es erkennt. Er vermag nur nicht den einen letzten Schritt zu tun, den vom Er kennen bis zum An erkennen.
Alles in allem: sie sind doch anders als ihr Ruf, diese so viel verklagten »Junker«, anders und besser, und es ist nur Pflicht und Wahrheit, wenn ich an dieser Stelle versichere, daß ich einer langen Gesprächsreihe mit ihnen eine Zahl allerglücklichster Stunden verdanke, Stunden voller Anregung und Belehrung, in betreff deren es gleich war, ob das Gespräch in Haus oder Heide, vorm Kamin oder auf dem Pirschwagen geführt wurde. Zu welchem allem ich auch das noch hinzufügen möchte, daß sich mir diese liebenswürdige Verkehrsseite, diese Welt ansprechender und gefälliger Formen unter teilweis sehr erschwerenden Umständen erschloß, und zwar zu Zeiten, als ich mich noch als ein absolut Fremder unter unsren ruppinisch-havelländischen und barnim-lebusischen Familien bewegte. Mit einer Dankbarkeit, in die sich etwas von Bewundrung mischt, muß ich jener ersten sechziger Jahre gedenken, wo meine Besuche vollkommen überfallartig stattfanden und ich, Mal auf Mal, auf gut Glück hin die herrschaftliche Rampe hinauffuhr, in der Tat um kein Haarbreit introduzierter oder empfohlener als irgendein Feuer- oder Hagel-Assekuranz-Agent. Oft schlug mir das Herz, und mit nur zu gutem Grund, aber niemals bin ich einer Unfreundlichkeit oder Verspottung begegnet, zu der die Situation eigentlich ausnahmslos herausforderte.
Vor Köckeritz und Lüderitz,
Vor Krachten und vor Itzenplitz
Bewahr uns, lieber Herre Gott –
das mag politisch auch noch so weiterklingen; gesellschaftlich und persönlich aber haben es die »Raubritter« von ehedem an nichts wirklich Ritterlichem jemals fehlen lassen und, alles Gegensatzes gegen den Inhalt des vorigen Jahrhunderts unerachtet, die Form und den Ton ebendieses Jahrhunderts (dem des unsrigen so sehr überlegen) immer zu wahren und immer zu treffen gewußt.
Und nun ihr, meine Geliebtesten, ihr meine Landpastoren und Vicars of Wakefield! Ach, auch euch lacht nicht eigentlich die Sonne der Volksgunst, und wirklich, wer euch so zur Synode ziehen sieht, angetan mit jenem Frack und jenem Blick, die zu zeitigen unsrem norddeutschen Protestantismus innerhalb seiner andren Aufgaben vorbehalten war, und wer euch dann sprechen hört über den Zeitgeist, den ihr ändern möchtet und nicht ändern könnt, und über die Juden,
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