Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Freiherr, der die Menschen und ganz besonders seine Liebenberger kannte, einen erbprinzlichen Geburtstag. »Am 27. v. Monats haben wir Karls Geburtstag durch eine Hochzeit gefeiert. Eins unserer Hausmädchen, das von mir ausgestattet war, wurde mit ihrem Bräutigam getraut, den ich vorher eigens zum Hofmeier ernannt hatte. Fockes aus Berlin waren mit zugegen und freuten sich der ländlichen Szene, die für die Großstädter etwas Neues und für die Liebenberger ein Festtag war.«
In demselben Winter wurde Karl »in den Unterricht« geschickt oder, um es noch märkischer auszudrücken, »in die Predigerstunde«, was, da Liebenberg keinen Prediger hatte, mit einer allwöchentlich zweimaligen Reise nach Zehdenick gleichbedeutend war. Ostern 1810 erfolgte dann die Konfirmation.
Und nun war die Zeit da, wo die längst angeregte Frage: »wie’s mit der weitren wissenschaftlichen Ausbildung des Sohnes zu halten sei«, wenigstens auf ein paar Wochen hin eine wiederum viel ventilierte wurde. Das Liebenberger Leben in seiner Eingezogenheit und Stille konnte schließlich nicht ewig dauern, und Alexandrine, die, wie bei allem, so auch hierin zu Rate gezogen wurde, proponierte schließlich Pension oder Alumnat. »Ich habe selbst schon an dergleichen gedacht«, antwortete der Alte, »gestehe Dir aber, daß ich durch alles, was ich von Berliner Pensionsanstalten gesehen und geprüft habe, geradezu zurückgeschreckt worden bin. Bei dem Direktor des Joachimsthals, wo der junge Reck ist, kann man Griechisch und Latein genug in den Klassen lernen; aber damit basta. Im übrigen ist der Umgang mit den dort studierenden Bengeln, trotzdem das Joachimsthal immer noch als das beste gilt, äußerst gefährlich. Lüderlichkeit herrscht in den meisten derartigen Anstalten, in der Stadt überhaupt , was Du schon daraus ersehen magst, daß man, um die neue Universität vor derartig üblen Einflüssen zu sichern, den ›Neustädtischen Bezirk‹, also den ganzen Stadtteil von der Schloßbrücke bis zum Brandenburger Tor und von der Letzten Straße (Dorotheenstraße) bis zur Kochstraße, von allen lüderlichen Etablissements gereinigt hat. Selbst die berüchtigte Madame Bernard hat ihr Haus in der Behrenstraße verkaufen und mitsamt ihren Nymphen sich außerhalb des eben angegebenen Bezirks niederlassen müssen. Dies ist geschehen, weil die meisten Studenten (um in Nähe der Universität zu sein) in dem Neustädtischen Bezirk Wohnung genommen haben.«
Erwägungen dieser Art führten begreiflicherweise zu dem Entschluß, es mit »Pension und Alumnat« nicht übereilen zu wollen, bis, nach Ablauf von abermals anderthalb Jahren, eine Verpflanzung in die große Stadt nicht wohl länger hinausgeschoben werden konnte.
Doch auch jetzt nicht in eine »Pension«. Es wurde vielmehr beschlossen, den nun Siebzehnjährigen ohne weiteres in den Kreis der Studierenden eintreten und im Hause des befreundeten Geheimrats Focke Wohnung nehmen zu lassen.
Das war im April 1812. Allerhand Collegia kamen auch wirklich an die Reihe, viel regelmäßiger aber als diese wurden Visiten gemacht und Gesellschaften besucht, und aus zahlreichen Nachschriften und Randbemerkungen ersehen wir, daß es die Reckes und Itzenplitzes, die Beymes und Boguslawskis waren, in deren Zirkel er vorzugsweise verkehrte. Dazu die Fockes selbst. Zu den ihm gleichaltrigen Söhnen einiger dieser Häuser unterhielt er alsbald die herzlichsten Beziehungen, und wenn in Liebenberg ein Fuchs gejagt oder ein ländliches Fest gefeiert wurde, so brach die ganze Freundschaft auf, um auf einen Tag oder eine Woche daran teilzunehmen. »Am 1. August hatten wir Erntefest«, schreibt der Alte. »Karl und drei Söhne von Geh. Rat Focke waren herübergekommen, und als weitere Zuschauer hatten sich die Seilers und hernach auch die Gentz und Bergemanns von Gransee her eingefunden. Die jungen Leute wollten tanzen, und es entstand nun ein Ball von sechs Paaren, der bis zehn Uhr dauerte. Ich hätte gewünscht, Du wärest mit dabei gewesen. Ein solches Impromptu verläuft oft besser als eine geplante Festivität.« Und vier Tage später: »Auch eine Goldne Hochzeit haben wir gehabt, die der alten Guichards, wobei sich’s traf, daß Karl und die jungen Fockes noch hier waren. Alles verlief aufs beste. Die Neumann hat etwas davon in die Zeitungen rücken lassen, was mit meinem Hange, vergessen zu sein, wenig übereinstimmt.«
Er schreibt wörtlich: »mit meiner Gemütlichkeit , vergessen zu sein«. Überhaupt
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