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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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finden sich viele sprachlich originelle Wendungen.
    In dieser Weise ging das Leben Karl von Hertefelds, und erst bei Beginn des Winterhalbjahres war er der gesellschaftlichen Zerstreuungen insoweit überdrüssig, daß er ein regelrechtes Studium anfing, statt sich bloß »Studierens halber aufzuhalten«. Er warf sich zunächst auf Physik und deutsche Literatur, insonderheit auf das »Alt-Deutsche«, was eben damals in die Mode gekommen war. Obenan das Nibelungenlied, über das man übrigens in Liebenberg ebenso klein und gering dachte wie dreißig Jahre früher in Sanssouci. Wenigstens schrieb der Alte: »Gestern, beim Aufräumen, ist mir auch das Nibelungenlied in die Hände gekommen, und schick ich es Dir, weil ich mittlerweile vernommen habe, daß Du Vorlesungen darüber hörst. Wenn übrigens der Nibelungen-Siegfried in Xanten seinen Sammelplatz gehabt hat, so ist vielleicht eine Dissertation über den Ort zu schreiben, wo er den Lindwurm totschlug. Ich, meinesteils, würde vermuten, daß es in der an Xanten grenzenden Bonnekather Heide geschehen sein müsse, die so wüst daliegt, als ob ein Lindwurm seine volle Bahn darauf gehabt habe. Vorzeiten trugen unsre Bänkelsänger die Geschichte vom gehörnten Siegfried und vom Reineke Voß auf dem Land herum und sangen ihre Knittelverse dazu. Wer damals gedacht hätte, daß solche Märchen noch aufs Katheder kommen würden! Tempora mutantur et nos mutamur in illis.« –
     
    Es läßt sich annehmen, daß Karl von Hertefelds Eifer an diesem Spotte nicht erlahmte, die Zeit im ganzen aber war der wissenschaftlichen Beschäftigung ungünstig, selbst widerstrebend, und als in den ersten Tagen des Jahres 13 die Yorcksche Kapitulation in Berlin bekannt wurde, war es mit dem Studium auf lange hin vorbei. Nur ein Gefühl beherrschte die Gemüter, insonderheit der Jugend, und Karl von H. wäre mit unter den ersten gewesen, die damals die Waffen nahmen und auszogen, wenn nicht seinem eignen Enthusiasmus ein absolut unenthusiastischer Vater mit sehr abweichenden Ansichten und Wünschen entgegengestanden hätte. So bracht er seiner Kindesliebe das denkbar schwerste Opfer und blieb , ohne sich durch Mißdeutungen, denen er kaum entgehen konnte, beirren oder umstimmen zu lassen.
    Als aber ein halbes Jahr später die Leipziger Schlacht geschlagen und der Marsch auf Paris eine beschlossene Sache war, wurd ihm der Zwang unerträglich, und er brach auf, um wenigstens ein Zeuge der letzten entscheidenden Ereignisse zu sein. Am 5. März 1814 war er in Leipzig, am
9. in
Frankfurt, am
16. in
Chaumont und sah sich, am selben Abend noch, in die beinah fluchtartige Rückzugsbewegung des großen Hauptquartiers hineingerissen. Endlich wieder zur Ruhe gekommen, schrieb er, anderthalb Wochen später, von Dijon aus. »Ich wollte zur Armee, wie Du weißt, und muß statt dessen im Rücken derselben umherziehen. Daß es im Gefolge des Hauptquartiers geschieht, bessert wenig. In diesem Augenblick sind wir, abgedrängt und gefährdet, ohne jede Nachricht von der Armee. Morgen aber will ich mich an Graf Lottum wenden, um aus seinem Munde zu hören, wie die Dinge stehen. Inzwischen gefällt mir Frankreich recht gut, wenigstens überall da, wo man noch etwas zu leben vorfindet. Die Leute sind höflich und freundlich, und ich werde vortrefflich mit ihnen fertig. Zugleich erhalt ich Komplimente über Komplimente à cause de ma honnêteté. Ich bin fest überzeugt, daß die gelegentlich feindliche Haltung der Einwohner nur von dem zügellosen Betragen der alliierten Armeen herrührt. Die Verheerungen übersteigen alle Vorstellungen. Von Chaumont bis Troyes hab ich in den Dörfern keine Einwohner und von Nancy bis drei Lieues von Chatillon kein Federvieh gesehn. Und wem schaden wir durch solch Gebaren am meisten? Uns selbst. Die nachrückenden Truppen finden nichts und müssen, nach starken Märschen, auch noch hungern. Eben hör ich, das Hauptquartier werde sich nach Lyon begeben. Ich glaub es jedoch nicht, daß wir bestimmt sind, so weit nach Süden hin auszubiegen. Geschäh es doch, so bekäm ich die schönsten Städte Frankreichs zu sehen und könnte vielleicht immer noch sagen, ›die Campagne mitgemacht zu haben‹.«
    So Karl von H. am 27. März. Vier Tage später hatten sich die Dinge sehr geändert, und die Nachricht von der entscheidenden Niederlage Napoleons bei Arcis sur Aube, wie sie dem großen Hauptquartier bekanntgeworden war, war auch zur Kenntnis unseres Briefschreibers gelangt. Er meldet

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