Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Gewirre so ruhig, daß man darüber erstaunt. Die Fußgänger verhalten sich ebenfalls ganz passiv. Da die Trottoirs, und zwar gerad in den lebhafteren Straßen, nur schmal sind, so kommt es vor, daß man derb gestoßen wird und zur Schadloshaltung wieder andere stößt; dies wundert aber niemanden, und noch weniger fällt es ihnen ein, mit einem »Pardon« um Verzeihung zu bitten.
    Die Theater sind hier prächtig, besonders das von Drurylane; alles blinkt in dem Hause von Vergoldung, Spiegel und Bronce. Die Schauspieler gefallen mir aber in Coventgarden besser. Ich habe dort den »Hamlet« und »Othello« gesehen, und obwohl ich nichts davon verstand, machten diese Vorstellungen doch einen bei weitem tieferen Eindruck auf mich als die »Phèdre« und »Semiramis« im Théâtre français.
    Von Merkwürdigkeiten hab ich bis jetzt nur die Westminster-Abtei, den Tower, St. Pauls und einige unbedeutendere Sachen gesehen. Was mir im Tower am meisten imponierte, war die kolossale Menge von Gewehren. Der Führer sagte mir, daß 800 000 da wären, und ich glaube nicht, daß er übertrieben hat. Denn außer denen, die aufgestellt sind, war noch ein Saal, etwa in Größe einer kleinen Reitbahn, ganz mit Kisten angefüllt, in denen sich eingepackte Gewehre befanden, alle bestimmt, nach Deutschland und Spanien abzugehen. Es sollen, nach der Aussage des Führers, 8000 Stück wöchentlich verfertigt werden. Von solchen Fabriken hat man doch, außer in England, gar keinen Begriff.
    Es werden hier seit einigen Tagen große Anstalten zur »IIlumination« und andern Festlichkeiten gemacht, die beim Empfange des Kaisers und Königs in Szene gehen sollen. In welchem Rufe hier Blücher steht, ist unbeschreiblich. Sein Empfang wird gewiß ebenso glänzend sein wie der der Monarchen und vielleicht noch glänzender, denn auf einem arrangierten Diner hat man die Gesundheit unsres Königs auf folgende Art getrunken: »Gentlemen, I propose three cheers for the master of old Blücher!« Übermorgen werden alle die » hohen Fremden «, wie sie hier genannt werden, erwartet, und wenn ein Einzug stattfindet, werden gewiß viele Menschen erdrückt werden.
    Noch habe ich Dir zu schreiben vergessen, daß ein Engländer, der mit uns von Boulogne nach London reiste, sowohl Graf Danckelmann wie mich zu einer Abendgesellschaft auf übermorgen gebeten hat. Das ist mir sehr interessant, und ich werde hingehen.
     
    London , den 12. Juni 1814
    Der Engländer, der uns zum Tee gebeten hatte, hieß Mr. Twigg. Da mehrere Personen in der Gesellschaft Französisch sprachen, so konnte ich an ihrer Unterhaltung teilnehmen. Gegen elf Uhr wurden Eis und Madeirawein präsentiert und darauf nach einem Fortepiano getanzt. Doch muß ich offen bekennen, in meinem Leben nichts Ungeschickteres gesehen zu haben. Der Tanz war eine Art von Ecossaise, blieb den ganzen Abend in Permanenz und wechselte bloß die Touren. Ungefähr um ein Uhr trennte sich die Gesellschaft.
    Ich komme nun zur Ankunft der Monarchen und des Feldmarschalls Blücher . Der Kaiser von Rußland und unser König hatten sich, durch ein Inkognito, dem Jubel der spalierbildenden Hunderttausende zu entziehen gewußt, der alte Blücher aber wurde bei Charing cross erkannt, und wenig fehlte, so hätte man ihm die Pferde ausgespannt und ihn im Triumphe hereingezogen. An jeder russischen oder preußischen Equipage, die folgte, hatten an dreißig oder vierzig Menschen angefaßt, die nun, unter lautem Huzza geschrei, mit dem in scharfem Trabe fahrenden Wagen Schritt hielten. Daß bei dieser Expedition nicht viele gerädert worden sind, wundert mich außerordentlich.
    Tags darauf war Ascot-Rennen. Da die Monarchen und Blücher ihr Erscheinen zugesagt hatten, so waren alle Postchaisen schon am Tage vorher gemietet worden. Ich war aber so glücklich, noch einen Platz zu finden. Vor der Loge, in der Blücher saß, stand alles unbeweglich, so daß die Schiedsrichter und Aufseher Mühe hatten, für die laufenden Pferde Platz zu machen.
    Als bald darauf die Monarchen erschienen, wurden sie mit lautem Zuruf empfangen. Das Geschrei war aber fast noch ärger, als sich Blücher zu Pferde setzte und die Bahn durchritt. Die Rennpferde waren meistens sehr schön, aber sehr verschieden von allen anderen Pferden, die mir bis jetzt zu Gesicht gekommen sind. Selbst die gewöhnlichen Reitpferde hier , wenn sie auch noch so schön sind, haben keine Ähnlichkeit mit den Rennpferden. Die Hufeisen der Renner mochten alle vier zusammen

Weitere Kostenlose Bücher