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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Grundsätzen.«
    »Nicht fest in Grundsätzen«, brauste jetzt die Schorlemmer auf. »Das nenn’ ich denn doch Beschönigung. Grundsätze? Er hat überhaupt keine, und das ist das Schlimmste. Denn wer keine Grundsätze hat, der ist wie ein Raubtier oder eine Katze. Und wie macht es die Katze? Jetzt schnurrt und spinnt sie noch und wärmt sich an der Ofenecke, aber im nächsten Augenblicke springt sie dem schlafenden Kind an die Kehle. ›Sie hat es für eine Maus gehalten‹, sagen dann die Leute, die für alles eine Entschuldigung haben. Aber ich mag nichts davon wissen. Maus hin, Maus her, die kleine Unschuld ist tot.«
    Renate und Marie wechselten Blicke, die Schorlemmer aber, die, so gut sie war, in ihrem Eifer oft aller Liebe vergaß, fuhr immer heftiger fort: »Und mit diesem Manne ziehen sie gegen die Mauern einer festen Stadt, als ob er ein Mann Gottes und ein Auserwählter wäre. Er wird aber den dicken Mann von Protzhagen, dem sie das alte Rutzenhorn um den Nacken gelegt haben, umsonst blasen lassen, denn das alte Rutzenhorn ist keine Posaune, und Bamme, Gott weiß es, ist kein Josua. Denn der hatte das Gesetz, das Gott dem Mose gegeben, und wich nicht zur Rechten und nicht zur Linken. Und so blieb es in Israel, und wenn es arg wurde, weil sie sich mit den heidnischen Völkern mischten und den heidnischen Göttern dienten, dann weckte Gott einen Gottesmann unter ihnen, der schlug dann die Moabiter und Amalekiter und viele andere noch. Und warum schlug er sie? Weil sein Auserwählter dem rechten Gotte diente und die Baalstempel stürzte. Aber dieser Bamme, der nun auszieht, um unsere Feinde zu schlagen, der ist selber ein Heidenkind und möchte jeden Tag dem Baal Tempel und Altäre bauen. Und was ist sein Baal? Das Spiel und der Trunk und die Fleischeslust. Und deshalb sage ich, er wird nicht wiederkehren wie Gideon…«
    »Aber vielleicht wie Jephtha«, scherzte Renate, »und ich werde ihm, wenn er siegreich heimkehrt, mit Pauken und Zimbeln entgegenziehen.«
    Seidentopf und Marie vergaßen angesichts dieses Bildes auf Augenblicke wenigstens den Ernst ihrer Lage, Renate selbst aber, während sie die Hand der Alten nahm, setzte beschwichtigend hinzu: »Sieh nicht so böse darein, liebe Schorlemmer, aber es ist nicht gut, wie du sprichst. Sind wir doch hier in schwerer Stunde beisammen, und die Liebsten, die wir haben, sind ausgezogen, um dem Lande das Zeichen der Erhebung zu geben. Und was tust du? Du malst uns schwarze Bilder, als ob alles untergehen müßte um dieses einen Mannes willen. Das ist nicht recht, und ich kenne dich nicht wieder. Um eines Guten willen übt Gott viel Gnade, so hast du mich früher gelehrt, aber er bereitet nicht um eines Schuldigen willen hundert Unschuldigen ihr Verderben. Habe ich recht, lieber Pastor?«
    »Ja und wieder ja«, sagte Seidentopf, »und es führt zu nichts, unsere Herzen immer bänger und schwerer zu machen, wo wir uns aufrichten sollen. Der Eifer hat meine alte Freundin hingerissen. Wir haben all’ einen Punkt, der eine diesen, der andere jenen, wo wir, wenn wir am gerechtesten zu sein vermeinen, am ungerechtesten werden. Und bei meiner Freundin heißt er: Bamme. Lassen wir den Streit und das Trübesehen und lesen wir ein Wort von der Allmacht und der Gnade Gottes.«
    Marie war aufgestanden und holte von der Camera theologica her die große Augsburgsche mit den Eisenzwingen und öffnete die Klammern. Der alte Seidentopf aber las den neunzigsten Psalm: »Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge worden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.«
    Darnach erhoben sich die Schorlemmer und Renate, um in das Herrenhaus zurückzukehren. Mit ihnen auch Marie, denn sie wollten die Nacht zusammen bleiben.

Neunzehntes Kapitel
     
    Der Überfall
     
    Während in der Pfarre Seidentopf und die drei Frauen in dieser Weise plauderten, rückten die Kompanien auf Frankfurt zu. Einzelne Sterne, kaum hervorgekommen, hatten sich ebenso rasch wieder versteckt, und nur der Schnee, der lag, gab gerade Licht genug, um des Weges nicht zu fehlen. Schweigsam, in dunkler Kolonne ging der Marsch, und wer hundert Schritte seitwärts gestanden hätte, hätte nichts wahrgenommen als einen langen Schattenstrich und dann und wann ein paar Funken aus den kurzen Pfeifen der Landsturmmänner. Die Krähen sahen dem Zuge nach, verwundert, aber ohne sich zu rühren, und nur ein paar von ihnen flogen krächzend auf, um es am Wege

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