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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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keine Rede, so daß ich herzlich froh war, als es am Abend wieder nach Hause ging. Erst viel später ist mir klargeworden, daß die Nüchternheit, der ich begegnete, nicht mir armen Kinde, sondern, wie schon angedeutet, meinem Vater galt. Ich mußte nur mit leiden. Der äußersten Solidität des Großvaters war der sichere, lebemännische Ton seines Sohnes, der sich durch seinen glücklichen Verkaufscoup mit einem Male selbständig und als Mann von Vermögen fühlte, derart unbequem und bedrücklich, daß meine blonden Locken, auf deren Eindruck meine Mutter so sicher gerechnet hatte, ganz und gar versagten.
      Ich bemerkte schon, daß solche Ausflüge nach Berlin damals öfters stattfanden, aber noch häufiger waren Reisen in die Provinz, weil es meinem Vater oblag, sich nach einem neuen Apothekenbesitz umzutun. Wär es nach ihm gegangen, so hätte er diesen Zustand der Dinge wohl nie geändert und das Interim in Permanenz erklärt; denn er hatte, während ihm die Spielpassion eigentlich nur durch den Wunsch, die Zeit hinzubringen, aufgedrungen war, eine ganz aufrichtige Passion für Pferd und Wagen, und sein Lebelang in der Welt umherzukutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen. Er sah aber freilich ein, daß das unmöglich sei – wenige Reisejahre würden sein Vermögen aufgezehrt haben –, und so war er denn nur beflissen, sich, weils ihm so paßte, vor Ankaufsübereilungen zu bewahren. Je kritischer er verfuhr, je länger konnte er seine Fahrten fortsetzen und seinem geliebten Schimmel, einem übrigens reizenden Tiere, jeden Abend ein neues Quartier bereiten. Ich sage seinem Schimmel, denn ein gutes Quartier für diesen lag ihm mehr am Herzen als sein eignes. Dreiviertel Jahre, bis Weihnachten 26, ist er denn auch vielfach, um nicht zu sagen meistens, unterwegs gewesen, und zwar auf einem ziemlich umfangreichen Gebiete, das außer der Provinz Brandenburg auch noch Sachsen, Thüringen und zuletzt Pommern umschloß. Diese Reisezeit war später ein bevorzugter Unterhaltungsstoff beider Eltern, auch meiner Mutter, die sich sonst ziemlich ablehnend gegen die Lieblingsthemata meines Vaters verhielt. Daß sie hier einen Ausnahmefall eintreten ließ, hatte zum Teil seinen Grund darin, daß mein Vater in dieser seiner Reisezeit viele an seine junge Frau gerichtete »Liebesbriefe« geschrieben hatte, die nun als solche zu persiflieren, zeitlebens ein Hauptvergnügen meiner Mutter war. »Ihr müßt nämlich wissen, Kinder«, so hieß es dann wohl, »ich habe noch eures Vaters Liebesbriefe, so was Hübsches hebt man sich eben auf, und einen kann ich sogar auswendig, wenigstens den Anfang. Dieser eine kam aus Eisleben, und darin schrieb er mir: ›Ich bin hier heute nachmittag angekommen und habe ein recht gutes Quartier gefunden. Auch für den Schimmel, der sich vorn etwas gedrückt hat. Aber davon will ich Dir heute nicht schreiben,   sondern nur davon, daß dies der Ort ist, wo Martin Luther am 10. November 1483 geboren wurde, neun Jahre vor der Entdeckung von Amerika‹ … Da habt ihr euren Vater als Liebhaber. Ihr seht, er hätte einen Briefsteller herausgeben können.«
    Dies alles war seitens meiner Mutter nicht bloß ziemlich ernsthaft, sondern leider auch bitter gemeint; sie litt darunter, daß mein Vater, sosehr er sie liebte, von Zärtlichkeitsallüren auch nie eine Spur gehabt hatte.
    Das Reisen dauerte dreiviertel Jahr und ging zuletzt in östlicher Richtung auf die Odermündung zu. Kurz vor Weihnachten fuhr er mit der Fahrpost, weil ihm sein Schimmel zu schade für die Winterstrapazen sein mochte, nach Swinemünde, das er bei sechsundzwanzig Grad Kälte erreichte. Der Kognak in seiner Flasche war zu einem Eisklumpen gefroren. Desto wärmer empfing ihn die verwitwete Frau Geißler, die, weil ihr das Jahr vorher der Mann gestorben war, ihre Apotheke so schnell wie möglich zu verkaufen wünschte. Dazu kam es denn auch. In dem diesen Geschäftsabschluß anmeldenden Briefe hieß es: »Wir haben nun eine neue Heimat, die Provinz Pommern, Pommern, von dem man vielleicht falsche Vorstellungen hat; denn es ist eigentlich eine Prachtprovinz und viel reicher als die Mark. Und wo die Leute reich sind, lebt es sich auch am besten. Swinemünde selbst ist zwar ungepflastert, aber Sand ist besser als schlechtes Pflaster, wo die Pferde ewig was am Spann haben. Freilich ist noch ein halbes Jahr bis zur Übergabe, was ich beklage. Man muß

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