Wickelkontakt - Roman
1
» Hmm, ist der lecker« sage ich zu Mona und meine den Erdbeer-Daiquiri.
» Ja, der guckt dich auch schon die ganze Zeit an!«, sagt sie und meint den heißen Latino hinter der Bar.
Ich weiß gar nicht mehr, warum ich mir vorher solche Sorgen gemacht habe. Die Party zu meinem dreißigsten Geburtstag ist lustig. Alle meine Freunde sind gekommen. Die Stimmung im Nouar, meiner Lieblingsbar im Hamburger Schanzenviertel, geht in Richtung ausgelassen, viele tanzen auf der kleinen Fläche zwischen der Ecke mit den Sofas und der Tür zu den Toiletten, und ich trinke meinen dritten Daiquiri. Fast genauso wie über die gelungene kleine Party, mit der ich meinen Eintritt ins Erwachsenenalter feiere, freue ich mich über meine neue Seven-Jeans, die ich mir zum Geburtstag gegönnt habe. Zusammen mit den ebenfalls neuen Stiefeln von Jimmy Choo zaubert sie einfach eine Bombenfigur hin. Ich grinse durch die Gegend und finde es toll, so beliebt, vermutlich sogar begehrt, aber mit Sicherheit gut gekleidet zu sein.
Der hübscheste Typ hier im Club hat anscheinend ein Auge auf mich geworfen, und meine beste Freundin Mona meint das auch… Ich gucke ab und zu rüber und gönne dem Barkeeper mein süßestes Lächeln. Es läuft gerade von Red Hot Chili Peppers » Give it away«, und ich bewege mich ein bisschen am Rand vor mich hin. Aber irgendwas ist merkwürdig. Die Stimmung verändert sich. Die Partygäste kommen auf einmal auf mich zu, ich stehe an der Bar und fühle mich bedroht, immer näher kommen die anderen, sie gehen in langsamen abgehackten Bewegungen auf mich zu, wie Zombies… Ihre Gesichter verziehen sich zu Grimassen, ähnlich dem » Schrei« von Edvard Munch. Was wollen die von mir? Hilfe! Und dieses Geräusch, das aus deren Mündern tönt! Was ist das bloß? Ich kenne es von irgendwoher… Es klingt wie ein penetrantes Quaken, wie eine kleine Ente, die einem im Park hinterherwatschelt und mit Brot gefüttert werden will.
Quak, quak. Jetzt wird es eindringlicher, fast flehentlich: Quaak! Um gleich darauf in den Befehlston zu wechseln: Quack!! Ich denke angestrengt nach… Quack, quack! O mein Gott: Maja! Hellwach schrecke ich auf, der Daiquiri in meiner Hand löst sich in Luft auf, die Jimmy Choos gleich mit, der süße Typ hinter der Bar sieht aus wie mein Mann, und was hier so lauthals quakt, ist meine kleine Tochter. Wirklichkeit, du hast mich wieder. Seufz. Es ist 3 . 30 Uhr, mitten in der Nacht, und ich befinde mich nicht im Nouar auf einer Party, sondern in meinem Bett, statt Seven-Jeans trage ich ein altes Schlabber-T-Shirt, und neben mir steht die Wiege, in der mein Baby liegt. Egoistisch und todmüde wie ich bin, hatte ich mir erlaubt– Oh, Hochverrat!– mal einige Minuten wegzudösen, obwohl Maja noch, oder eher schon wieder, wach war. Bevor das Quaken zum Quengeln und schließlich zum Schreien bis hin zum Brüllen wird, suche ich den Schnuller, ohne ihn zu finden, ächze mich aus dem Bett, schlurfe einäugig in die Küche, stelle den Wasserkocher an und latsche wieder zurück.
Schreistufe zwei ist inzwischen erreicht, der Schnuller mal wieder unauffindbar (wo versteckt sie die bloß?), und ich nehme die Kleine vorsichtig aus der Wiege, um sie vor dem Füttern noch zu wickeln. Püüh, dieses Aroma! Während ich an ihr herumhantiere, drehe ich den Kopf weg und atme durch den Mund. Bei unserem kleinen Wickelkontakt mitten in der Nacht strampelt sie hilflos mit ihren Beinchen, rudert mit den pummeligen Ärmchen und weiß nicht so recht, wie ihr geschieht. Klar, sie ist ja auch erst zwei Wochen alt und unglaublich süß, wie sie so verdutzt guckt und mit den Armen wackelt. Süß– und hungrig. Ich beeile mich, mit ihr auf dem Arm in die Küche zu gehen, und– inzwischen mit zwei Augen, aber nur einer Hand– drei Messlöffel Milchpulver abzuzählen.
Vom frischgebackenen Papa ist mal wieder keine Hilfe zu erwarten. Der pennt. Komme, was da wolle, mein Mann schläft. Und ist auch sonst sehr entspannt. Er erzählt allen, wie toll ich das ja mache mit der Kleinen und dass ich ihn immer schlafen lasse. Sehr witzig. Wenn er sich selbst nach dem zehnten von mir gerufenen » Schaaaaa-aaatz« und Rütteln an der Schulter beharrlich weigert, wach zu werden, kann ich eben auch nichts mehr machen, was nicht an Körperverletzung grenzt. Die zweimal, die ich ihn nachts gebeten habe, mir eine Hilfe zu sein und seine Tochter zu wickeln, hat er abgeschmettert mit den Worten: » Sie muss ja auch nicht alle drei Stunden
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