Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
raschen Auseinanderfallens, und es kam wirklich über einen ersten Gesellschaftsabend nicht hinaus. Man hatte sich bei Flemmings versammelt, und als es zu Tische ging, reichte der alte Flemming der schönen Frau von Borcke seinen Arm und von Borcke der Frau von Flemming; mein Vater und meine Mutter blieben übrig. »Eh bien, Madame, Dieu le veut«, sagte mein Vater, und beide folgten als drittes Paar. Es kam anderntags zu den aufrichtigst gemeinten Entschuldigungen, ohne daß diese den »cercle intime« wiederhergestellt hätten. Aber auch ohne diesen, die Freundschaft blieb und überdauerte, wie gleich hier erzählt werden mag, unsren Swinemünder Aufenthalt um viele Jahre. Dessen war besonders die silberne Hochzeit meiner Eltern 1844 ein beredter Zeuge. Wir lebten damals in einem großen und reichen Oderbruchdorfe, zwei Meilen von Küstrin, und von uns Kindern war, wohl oder übel, ein Polterabend vorbereitet worden. Die Mama hatte sich zunächst sehr energisch dagegen ausgesprochen, war aber schließlich überwunden worden. Und so kam denn der große Tag heran. Am Spätnachmittage, kurz vor Beginn der Aufführungen – einige von uns waren schon in Kostüm –, fuhr, unter herzhaftem Blasen des Postillons, eine Extrapost bei uns vor, und dem ziemlich klapprigen Wagen entstiegen, nachdem ein Tritt herangerückt war (denn die Wege waren mal wieder grundlos), als erster der alte Landrat von Flemming und hinter ihm her ein zweiter Herr, beide abdeputiert, um dem Silberpaare die Grüße der alten Swinemünder Freunde zu bringen. Sie kamen, wie sich denken läßt, nicht mit leeren Händen, und als wir Kinder das Unsere getan und unser Festspiel beendet hatten, trat von Flemming im Namen der alten Tafelrunde vor und überreichte unter feierlicher Ansprache einen Pokal. Die Freude war groß und aufrichtig. Ein kleines Abendessen folgte dieser Szene, von allerlei Reden begleitet; aber diese Reden und Gegenreden, so viele ihrer waren, reichten doch nicht aus, die langen Abendstunden mit Manier zu füllen, so daß gegen neun der Spieltisch aufgeklappt und eine Partie ganz wie vordem arrangiert wurde. Dies wiederholte sich auch am nächstfolgenden Tage, wo nach dem stattgehabten eigentlichen Festmahle die Verlegenheiten hinsichtlich Unterbringung der Zeit noch um ein erhebliches größer waren. Alles in allem war, als sich Gott sei Dank am Morgen des dritten Tages der Abreisemoment näherte, die Mehrzahl der Stunden am Whisttisch verbracht worden. Und nun kam der Abschied selbst. Wir sahen den beiden Scheidenden unter Tücherwehen eine ganze Weile nach, dann aber nahm mich mein Vater unterm Arm und sagte, während er mit mir auf und ab ging: »Es war sans phrase reizend, aber einschließlich unseres Whist en trois doch etwas kostspielig. Habe wieder ein Erkleckliches dabei verloren. Andrerseits muß ich sagen, es hätte mich doch sehr geniert, wenn ich der Gewinner gewesen wäre. Bedenke nur den Pokal und die Reise! Freilich, merkwürdig ist und bleibt es … nicht einmal an meinem silbernen Hochzeitstage … immer dasselbe Pech. Ob es doch vielleicht ein Zeichen für mich sein soll, eine Schicksalsmahnung, es aufzugeben!«
Und wirklich, er gab es auf. Freilich nicht direkt, aber der hier geschilderte Tag war doch ein Wendepunkt, und wenn ich ihn in seinen letzten Lebensjahren besuchte, beglückwünschte er sich regelmäßig zu diesem endlichen Wandel der Dinge und sagte: »Das verdanke ich dem alten Flemming; weißt du noch, damals, als er mir den Pokal brachte.«
Frau von Flemming war eine geborene Königk. Ihr Vater starb früh, aber ihr Oheim lebte noch in den hier von mir zu schildernden Tagen. Es war das der alte Steuerrat Königk. Er nahm neben Landrat von Flemming wohl die erste Stellung ein, so wenigstens erschien es mir, was übrigens möglicherweise nur darin seinen Grund hatte, daß ich, infolge von vielen noch aus der Zeit der Kontinentalsperre herrührenden Geschichten, vor jeglichem, was mit Steuer und Douane zusammenhing, einen großen Respekt hegte. So war einer dieser Geschichten nach, ich glaube im Jahre neun, der Versuch gemacht worden, eine Schiffsladung voll Vanille einzuschmuggeln, selbstverständlich eine Sache von sehr bedeutendem Wert. Die Douane kam indessen dahinter und belegte die ganze Ladung mit Beschlag. Aber nicht das allein, auch vernichtet mußte die Ladung werden, und so wurden denn Hunderte von Vanillekisten auf dem großen Marktplatz übereinander geschichtet und angezündet. Dies
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