Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
hielt begeisterte Reden in dem ihm eignen Stil, was jedesmal einen Gegenstand äußerster Erheitrung für meine Mutter ausmachte, während ich selbst, wenn ich an Ballabenden dem Tanze dieser drei Huldinnen zusehen durfte, den Olthoffschen Ressourcensaal sich in einen Weihetempel verwandeln sah.
Ziemlich um dieselbe Zeit, als Major Thomas eintraf, kam auch Schiffahrtsdirektor Bauer. Er hatte keine schönen Töchter, spielte sich aber selber auf Schönheit oder, um mit meinem Vater zu sprechen, »auf ein gefälliges Exterieur hin« aus. Und nicht ohne Grund, denn er hatte gesunde Farben und blonde Löckchen und trug eine goldne Brille. Noch ehe er da war, war schon eine Art Opposition gegen ihn im Gange, was der Sachlage nach eigentlich nur natürlich war. Es hatte bis dahin, wenn ich recht berichtet bin, keine Schiffahrtsdirektorstelle gegeben, und nun schuf man eine solche. Wenn man nach dem Namen gehen durfte, so mußte die Stelle notwendig den Zweck haben, der Schiffahrt aufzuhelfen, und der, der bestimmt war, diese Hilfe zu leisten, mußte was davon verstehn. Aber verstand der in Sicht Stehende wirklich etwas davon? Das wollte nicht recht einleuchten. Er war ein Binnenlandsmensch und hatte von Schiffen schwerlich mehr gesehn als eine Gondelflottille zwischen Treptow und Stralau. Was konnte der helfen und fördern! Das war so die Stimmung, als er kam. »Ein Herr vorn grünen Tisch«, so hieß es. Nun mochte sich manches Richtige darin aussprechen, nur in einem war es nicht richtig; der eben Eingetroffene war alles, nur kein »Herr vom grünen Tisch«, genau das Gegenteil. Er hatte seine Laufbahn als Schillianer oder Lützower oder freiwilliger Jäger begonnen und war um bewiesener Schneidigkeit und patriotischer Gesinnung willen in den Staatsdienst herübergenommen worden. Alle diese Personen, was sonst auch gegen sie gesagt werden konnte, waren nie Schreiberseelen, setzten vielmehr umgekehrt ihr Vertrauen und ihren Anspruch ans Leben in ihre Persönlichkeit und gingen davon aus, daß sich mit gutem Mut und gesundem Menschenverstand – eine gute staatliche Rückendeckung natürlich vorausgesetzt – alles machen ließe. Fachwissen und Schreiberei, dazu waren die Sekretäre da; Sicherheit des Auftretens, gute Nerven und Frühstücksstimmung, das war das, worauf es ankam. Von dieser Anschauung und Richtung war denn auch der neue Schiffahrtsdirektor. Als er sich eingeführt hatte, sah man sofort, daß man ihn falsch taxiert habe, was indessen die Stimmung gegen ihn nicht besserte. Vom grünen Tisch war er nicht, er war umgekehrt Lebemann und ganz und gar darauf aus, in kluger Weise die Dinge zu seinem Vorteil zu gestalten. Das war etwas durchaus anderes, aber in den Augen der regierenden Klasse mindestens ebenso gefährlich oder vielleicht noch gefährlicher. Es galt also, ihn in Schach zu halten, was seiner Gewandtheit und Schlagfertigkeit gegenüber nicht ganz leicht war. Endlich indessen fand sich die Gelegenheit dazu. Bauer, ganz Autodidakt, hatte die Schwäche aller Autodidakten, sich auf »Bildung« hin ausspielen und in Fremdwörtern exzellieren zu wollen. Eine Weile ging das. Mit einemmal aber schlug seine Stunde, und das irrtümlich angewandte Wort »Triumph« wurde zum Triumph für seine Gegner. Er ließ nämlich einen Wohltätigkeitsaufruf drucken, darin in klug berechneter Huldigung gegen die drei reichsten und angesehensten Familien Swinemündes von dem »Triumphirate der Stadt« gesprochen wurde. Da hatten sie ihn, er war entdeckt. An dem unglücklichen »ph« war seine Macht gescheitert. Ähnliche Menschlichkeiten folgten, und das eine Zeitlang um sein Ansehen besorgt gewesene Honoratiorentum führte nun das bis dahin so stolze Roß ruhig und sicher am Zügel. Man ließ ihm seine Rodomontaden und war zufrieden, ihn in seinen eigenen Augen einigermaßen entgöttert zu haben. Bauer – der übrigens zwanzig Jahre später (1848) als demokratischer Krotoschiner Bürgermeister noch einmal eine kurze Weile geglänzt haben soll – war einfach Mensch geworden, und der alte Swinemünder Ton konnte wie vordem unbehindert weiterherrschen.
Unter denen, die diesen alten Ton in seiner kräftigsten Urgestalt repräsentierten, stand Konsul Thompson obenan. Er bewohnte ein großes Haus am Markt, ein Haus mit drei Fronten, an deren einer sein kleiner Kaufladen lag, denn, wie bei allen Konsuln, so durfte auch bei ihm der Laden nicht fehlen. Warum alle so sehr darauf hielten, weiß ich nicht, da, wie mir
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