Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
nominell noch in voller Herrschaft, hatte jedoch, weil er seit 1816 die Hälfte des Jahres auf seinem Gute Kolbatz zubrachte, das Tatsächliche der Herrschaft an seine zwei Söhne Wilhelm und Eduard, wie an zwei Statthalter, abgetreten. Eduard, damals noch jung, wirkte wie ein Adlatus des erheblich älteren Bruders und kam erst zu voller Bedeutung, als es ihm einige Jahre danach vergönnt war, den jungen Prinzen Adalbert, späteren Admiral, in seinem unter prächtigen Linden am Bollwerk gelegenen Hause wiederholentlich als Gast begrüßen zu können. Den überaus liebenswürdigen Prinzen mit dem schon damals sprechend ähnlichen Großen-Kurfürsten-Profil, ebenso wie zwei, drei seiner Adjutanten, darunter Hauptmann von Bonin, den späteren Führer des Ersten Armeekorps 1866, habe ich aus jenen Tagen her noch deutlich im Gedächtnis.
All dies war im Beginn der dreißiger Jahre, wo meine Swinemünder Tage sich schon ihrem Ende zuneigten. Während der unmittelbar voraufgehenden Zeit aber lag, gesellschaftlich angesehen, das Stadtregiment bei des alten Krause schon genanntem ältesten Sohne, dem Kommerzienrat Wilhelm Krause, von dem ich in Nachstehendem zu berichten haben werde.
Das von ihm bewohnte Haus erhob sich neben dem seines Bruders an einer besonders malerischen Stelle. Das Ganze, voll Eigenart und mit künstlerischem Sinn ausgeführt, war ein Hochparterrebau, von einem Fliesengang eingefaßt, um den sich kurze Pfeiler mit dazwischen ausgespannten Ketten zogen. Eine von einem zierlichen und geschweiften Gitter eingefaßte Sandsteintreppe führte zu dem Hochparterre hinauf und mündete auf einen breiten Flur, den wieder ein langer querlaufender Korridor durchschnitt. Dadurch entstand eine Vierteilung, die für Ordnung und Übersicht des Ganzen sorgte: Wirtschaftsräume, Schlafzimmer, Wohnzimmer und großer Saal. Die Wohnzimmer und der große Saal lagen nach vorn hinaus und bildeten jedesmal einen Gegenstand meiner Bewunderung. In den Wohnzimmern waren es besonders die Kupfer- und Stahlstiche, die mich entzückten, zu nächst Landschaften und Genrestücke, dann aber auch Porträts englischer Staatsmänner samt Kriegs- und Seehelden, so daß sich mir schon damals die Köpfe von Lord Canning, Lord Melbourne, Lord Palmerston und mehr noch die von Nelson, Wellington und Codrington, dem »Sieger von Navarino«, tief einprägten. Am meisten Eindruck aber machte Präsident Bolivar auf mich, Held und Befreier von Südamerika, das mir als Cortez- und Pizarro-Gegend ohnehin teuer war, ein sehr schöner Mann, der ebenso durch sein Aussehen wie durch den Klang seines Namens meine Sinne gefangennahm. Ja, diese den Hauptschmuck der Wohnung ausmachenden Bilder fesselten mich immer wieder, mein Hauptstaunen aber war doch wohl der große Frontsaal, der, meist geschlossen, nur bei Festvorbereitungen geöffnet wurde, bei welcher Gelegenheit ich dann einen flüchtigen Einblick tun konnte. Zu beiden Seiten standen zahllose Stühle dicht nebeneinander gerückt, ein mächtiger Glaskronleuchter hing von der Decke herab, und dem Eingange gegenüber, ganz wie bei uns, erhob sich ein bis an die Decke reichender Trumeau. Das Ganze wie das einzelne gab mir ein Gefühl von Befriedigung, und es freut mich heute noch, daß ich schon damals die schönheitliche Überlegenheit dieser aus der Empirezeit stammenden und wahrscheinlich aus England bezogenen Möbel ganz deutlich empfand. All die Kapitel 5 geschilderten »Prachtstücke«, die wir in unserm eigenen Hause besaßen, wirkten trotz einer gewissen Ähnlichkeit oder vielleicht auch um derselben willen höchst spießbürgerlich daneben.
Von Spießbürgerlichkeit konnte nun hier überhaupt an keiner Stelle die Rede sein. Auf dem durch ein Gitter von dem eigentlichen Hofe abgetrennten Hühnerhofe ragten Volieren und Taubenhäuser in japanischen Formen auf, aber einen noch viel größeren Eindruck als diese zierlich-phantastischen Bauten im Hofe machten auf mich im Hause selbst die großen und kleinen Giebelstuben samt dem dazwischen gelegenen pittoresken Bodenflur, der den Krauseschen Kindern als Spielplatz diente. Zur Sommerzeit hatte dieser Spielplatz keine Bedeutung, winters aber und besonders in der Woche zwischen Heiligabend und Neujahr, wenn alle Geschenke vom Weihnachtstisch fortgenommen und hier hinaufgeschafft wurden, war dieser Bodenflur wie ein Paradies für Kinder. Einmal befand sich unter den hinaufgeschafften Geschenken auch eine holländische Windmühle, die größer war
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