Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
etwa zwanzig Jahre nach dem hier Erzählten, eine Trennung, eventuell Ehescheidung geplant wurde. Die Trennung erfolgte dann auch wirklich, die Ehescheidung unterblieb. Aber diese letztere wurde doch vorübergehend ganz ernsthaft erwogen, und ein Freund unseres Hauses, der damalige bethanische Geistliche, Pastor Schultz, dessen Spezialität Ehescheidungsfragen waren (es war die Zeit unter Friedrich Wilhelm IV., wo man solche Dinge mit frisch auflebender dogmatischer Strenge behandelte), – Pastor Schultz, sag ich, lehnte sich, als er von dem Plane hörte, mit aller Kraft und Beredsamkeit dagegen auf. Meine Mutter hielt sehr viel auf ihn und kannte zudem das Ansehen, dessen er sich »bis hoch hinauf« erfreute, »bis hoch hinauf«, was für sie Bedeutung hatte; nichtsdestoweniger machten seine strengen Auseinandersetzungen nicht den geringsten Eindruck auf sie, so wenig, daß sie, als er schwieg, mit superiorer Seelenruhe sagte: »Lieber Schultz, Sie verstehen diese Frage gründlich; aber ob ich ein Recht darauf habe, mich scheiden zu lassen oder nicht, diese Frage kann in der ganzen Welt kein Mensch so gut beantworten wie ich selber.« Und damit brach sie ab. Ähnlich ungläubig stand sie jeder Autorität gegenüber. Sie war voll Mißtrauen in die Leistungsfähigkeit aller drei Fakultäten und bezweifelte – patriarchalische Zustände waren ihr Ideal –, daß die Menschen beispielsweise was Reelles von der Juristerei hätten. Alles gehe, so meinte sie, nach Gunst oder Vorteil oder im besten Fall nach Schablone. Reich sein, Besitz (am liebsten Landbesitz), alles womöglich unterstützt von den Allüren eines Gesandtschaftsattachés – das war etwas, das schloß Welt und Herzen auf, das war eine wirkliche Macht; das andere war Komödie, Schein, eine Seifenblase, die jeden Augenblick platzen konnte. Und dann war nichts da. Man wird begreifen, daß bei dieser Anschauung meine Mutter zwar darauf hielt, mich aus der Barfüßlerschule herauszubringen, im übrigen aber in einem Interim ohne regelmäßigen Schulunterricht kein besonderes Unglück sah. Es war gegen die Ordnung, das war das Schlimme daran. Im übrigen, das bißchen Lernen, das war jeden Augenblick wieder einzubringen. Und wenn nicht, nicht.
     
    Zu diesem Wiedereinbringen schien sich endlich Gelegenheit bieten zu sollen, als es Ende März 1828 hieß, Kommerzienrat Krause werde gleich nach Ostern einen Hauslehrer ins Haus nehmen und einige andere Honoratiorenkinder an dem seinen eigenen Kindern zu erteilellden Unterricht teilnehmen lassen. So war es denn auch. Es machte aber, außer meinen Eltern, keiner von dieser freundlichen Bereitwilligkeit Gebrauch, und als zwischen den beiden Familien alles verabredet und geordnet war, erschien ich bei Beginn des Unterrichts mit einer Seehundsfellmappe, drin drei Schreibebücher und ein Kinderfreund steckten, in der Schulstube des Krauseschen Hauses. Das Krausesche Haus, von dem ich in Kapitel 8 bereits ausführlicher gesprochen, war mir damals schon wohlbekannt, aber in den Teil des Hauses, der zunächst das Schulzimmer und rechts und links daneben zwei für den Hauslehrer eingerichtete Mansardenstuben enthielt, war ich noch nie gekommen. Ich empfing auch hier wieder sofort den freundlichsten Eindruck, indessen so freundlich derselbe war, so war doch keine Zeit, mich mußevoll umzutun, denn der Lehrer saß schon auf seinem kurulischen Stuhl, einem großen Sessel in Gartenstuhlformat, die zwei jüngeren Krauseschen Kinder neben sich, mein Freund Wilhelm   ihm gegenüber 6 . Neben diesem war noch ein Stuhl frei; der war für mich. Ich ging aber, so war ich instruiert, zuvörderst auf den Lehrer zu, um diesem die Hand zu geben. Er rückte denn auch, war er doch ohnehin kurzsichtig, seinen Sessel ein wenig herum, um mich besser sehen zu können. »Nun, das ist recht, daß du da bist. Setze dich da drüben neben deinen Freund. Und nun wollen wir mit einer Leseprobe beginnen. Ihr habt alle den Kinderfreund, und der soll auch bleiben. Aber heute möcht ich doch, daß wir zuerst die Bibel nähmen; ihr habt doch die Bibel?« Wir bestätigten, und er seinerseits fuhr fort: »Ich denke, wir fangen mit dem Anfang an. ›Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.‹ Für die zwei Kleinen ist es noch zu schwer, aber ihr beiden Großen könnt euch darin teilen.«
    Wir lasen denn auch das Kapitel so ziemlich zu seiner Zufriedenheit, und als wir durch waren, sagte er: »Nun will ich noch ein paar Fragen tun und mir allerlei von euch

Weitere Kostenlose Bücher