Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Finanzministerium, welcher letztre sich außerdem noch, aus den Anno dreizehner Kriegszeiten her, alter Beziehungen zum Hofe rühmen durfte. Dies war auch wohl Grund, daß dem Sohne, trotz Nichtadels und deutscher Abstammung (die Neufchateller Offiziere waren damals noch vorwiegend französische Schweizer), der Eintritt in das Elitebataillon ermöglicht wurde. Hier war er wohlgelitten, weil er klug, guter Kamerad und außerdem sogar Schriftsteller war. Er schrieb Novellen nach damals üblichen Mustern. Aber aller Wohlgelittenheit zum Trotz konnte er sich nicht halten, weil seine Vorliebe für Kaffee mit Kognak, die sich bald auf letzteren beschrankte, so rapide wuchs, daß er den Abschied nehmen mußte. Seine Übersiedlung nach Swinemünde hatte wohl darin ihren Grund, daß Seestädte für derartige Passionen besser passen als Binnenstädte. Kognakvorliebe fällt da weniger auf.
Gleichviel indessen, was der Grund sein mochte, Ferber war an seinem neuen Wohnort bald ebenso beliebt wie vorher in Berlin, denn er hatte jene Charaktergütigkeit, die »der Flasche liebstes Kind« ist. Von meinem Papa hielt er sehr viel, was dieser erwiderte. Doch war diese Freundschaft nicht gleich von Anfang an da, sondern entwickelte sich erst aus einer kleinen Kontroverse bzw. Niederlage meines Vaters, zu dessen liebenswürdigen Eigentümlichkeiten es gehörte, seinen Ärger über eine »Déroute« spätestens nach vierundzwanzig Stunden in Anerkennung und beinahe Huldigung umzusetzen. Mit dieser Niederlage aber verhielt es sich so. Von seiten Ferbers war eines Tages behauptet worden, daß man wohl oder übel einen Deutschen als den »Vater der Französischen Revolution« ansehen müsse, denn Minister Necker, wenn auch in Genf geboren, sei der Sohn oder Enkel eines Küstriner Postmeisters gewesen – eine, so schien es meinem Vater, ganz stupende Behauptung, die denn auch seinerseits mit beinahe überheblicher Miene bekämpft worden war, bis sie sich schließlich als im wesentlichen richtig herausstellte. Da schlug denn sofort bei meinem Papa das aus seiner Überzeugung von seinem besseren Wissen erwachsene Selbstgefühl zunächst in Respekt, dann in Freundschaft um, und noch zwanzig Jahre später, wenn wir von unserem Oderbruchdorfe aus nach dem benachbarten Küstrin hineinfuhren, sagte er regelmäßig, ohne je bei Kronprinz Fritz oder Kattes Enthauptung zu verweilen: »Ja, hier aus Küstrin stammte auch Necker, den man ›den Vater der Französischen Revolution‹ nennen kann. Das verdanke ich Ferber, Hauptmann Ferber, den wir Teinturier nannten. Schade, daß er von dem Aquavit nicht lassen konnte. Mitunter war es ein Jammer.«
Ja, ein Jammer war es, nur nicht für uns Kinder, die wir umgekehrt immer in einen Jubel ausbrachen, wenn der Hauptmann, in oft ziemlich desolatem Kostüm, die große Kirchenstraße heraufgetaumelt kam, um irgendwo seine Frühstücksstunde fortzusetzen. Wir folgten ihm dann in kurzer Entfernung und neckten und reizten ihn so lange, bis er den einen oder andern von uns zu fangen und abzustrafen suchte. Mitunter gelang es ihm auch; ich aber entkam ihm jedesmal mit Leichtigkeit, weil ich für meine Neckereien immer nur solche Tage wählte, wo es kurz vorher stark geregnet hatte. Dann stand auf dem Straßendamme zwischen unserm Haus und der Kirche drüben ein ungeheurer Wasserpfuhl, der nun mein Nothafen wurde. Meine Stelzen schräg unterm Arm, sprang ich auf diese, sobald ich merkte, daß mir Teinturier trotz seines Zustandes dicht auf den Fersen war, mit einem raschen Rucke hinauf und marschierte nun triumphierend in den Wasserpfuhl hinein. Da stand ich dann wie ein Storch auf einem Stelzen und präsentierte mit dem andern unter fortgesetzter Verhöhnung. Fluchend und drohend zog er weiter, der arme Hauptmann. Aber er hütete sich, seine Drohung wahrzumachen, weil er sich in seinen guten Stunden nicht gern an die schlimmen erinnern mochte.
Wir hatten verschiedene Spielplätze. Der uns liebste war aber wohl der am Bollwerk, und zwar gerade da, wo die mehrerwähnte, von unserm Hause abzweigende Seitenstraße einmündete. Die ganze Stelle war sehr malerisch, besonders auch im Winter, wo hier die festgelegten und ihrer Obermasten entkleideten Schiffe lagen, oft drei hintereinander, also bis ziemlich weit in den Strom hinein. Uns hier am Bollwerk herumzutummeln und auf den ausgespannten Tauen, so weit sie dicht über dem Erdboden hinliefen, unsere Seiltänzerkünste zu üben, war uns gestattet, und nur eines
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