Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Konditor und Traiteur – in Regent-Street übernahm die Versorgung mit Speis und Trank. Um neun brannten alle Kronen, Cabs fuhren vor, Frau Faucher stand im ersten Stock auf dem Vorflur zwischen Treppenmündung und Salon und empfing ihre Gäste, das Gesicht etwas ängstlich verzerrt, denn der , um den das alles inszeniert wurde, war noch immer nicht da. Da, wer beschreibt das Glück, erschien der Bischof von Oxford mit dem ihm eignen wohlwollenden Lächeln, begrüßte die Dame des Hauses, verneigte sich kurz, sowohl gegen Faucher wie gegen die zunächst Stehenden, und schritt dann langsam durch die drei Festräume, die er, nach Ablehnung einer Erfrischung und unter erneuten Verneigungen gegen die Versammlung, in langsamem Tempo wieder verließ. Seine Anwesenheit hatte keine fünf Minuten gedauert, der Zweck aber war erreicht, denn am andern Morgen stand in allen Zeitungen: »Yesterday took place a splendid evening party at Mr. and Mrs. Faucher, Westbourne Terrace; the Bishop of Oxford was present.« Nach diesem Tage wurde Faucher, erdrückt von Verbindlichkeiten, nicht mehr im Bereich seiner von ihm auf vier Wochen gemieteten Prachtwohnung gesehn; er zog vielmehr weit, weit fort, in eine ganz andre Himmelsgegend. Das war im Januar achtundfünfzig.
Um diese Zeit kamen wir uns wieder näher, denn es rückten jetzt die Tage der Vermählung zwischen Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinzeß Victoria heran. Ich hatte darüber für eine Berliner Zeitung zu berichten, und da Faucher vorhatte, sich ebenfalls als »own correspondent« – ich weiß nicht mehr, für welch deutsches oder französisches Blatt oder vielleicht auch bloß für seinen Morning Star – zu installieren, so kam er täglich auf die Gesandtschaft, wo wir uns trafen und unsre Hoffnungen oder Befürchtungen austauschten. Alles drehte sich darum, ob es möglich sein würde, Plätze für uns zu beschaffen. Graf Bernstorff, wie immer die Güte selbst, drang schließlich bei dem Hofmarschallamte durch, und so bekamen wir unsere »Tickets«. Aber hinsichtlich dieser Tickets selbst waltete doch ein großer Unterschied; Fauchers Ticket war, glaub’ ich, viel vornehmer, aber meines viel bequemer. So hatte der Zufall uns beiden geholfen, denn so gewiß ich jederzeit für Bequemlichkeit war, so gewiß war Faucher jederzeit für grande représentation, und wenn er zu diesem Zweck auch in spanische Stiefel geschnallt worden wäre. Ein wenig davon war nun wirklich der Fall, denn die ihm gewordne Eintrittskarte legte ihm die Verpflichtung auf, in Hofkostüm zu erscheinen: schwarzseidne Strümpfe und Schnallenschuhe, Frack Louis quinze, Dreimaster und Galanteriedegen. Mich hätte das finanziell ruiniert, für Faucher aber, den Mann von Westbourne-Terrace, war das alles Bagatellkram, und auf einer Schauprobe sah ich ihn denn auch in pontificalibus. Er machte sich sehr gut und wußt’ es auch. Tags darauf war die Trauung in St. James; ich saß, Gott weiß durch welches Glück oder welchen Irrtum, dicht hinter der pompösen Herzogin von Sutherland und ihren zwei Töchtern, alle drei durch ihre Schönheit berühmt, und vergaß darüber meinen Faucher, den ich dann auch während der ganzen Festlichkeit nicht wieder zu sehen bekam. Den andern Nachmittag aber, ich hatte eben meinen Festbericht beendet, kam er von seiner Redaktion aus zu mir herausgefahren, und meine Frau ließ sich verleiten, ihm das, was ich über die Vermählungsfeier geschrieben hatte, vorzulesen. Er wiegte den Kopf dabei hin und her und sagte: »Ja, ja, man kann es auch so machen; ganz gut.« Es war aber ersichtlich, daß es ihm wenig gefallen hatte, was ich ihm zwar nicht übelnahm, aber in seiner vollen Berechtigung doch nicht ganz erkannte, ja, nach meiner damaligen Stellungnahme zu solchen Dingen auch nicht einmal erkennen konnte . Denn mir steckte zu jener Zeit der unter Glaßbrenner und Beckmann und unter beständiger Lektüre schrecklicher Wortwitze herangewachsene Spree-Athener noch viel zu stark im Geblüt, um solchen Bericht überhaupt schreiben zu können. Alles war vermutlich ohne rechte Manier. Ich ging davon aus, daß es darauf ankäme, die patriotischen und loyalen Wendungen mit soviel »Geist« wie möglich aufzuputzen, wozu mir die Hervorhebung kleiner scherzhafter Zwischenfälle ganz besonders geeignet erschien. Das ist nun aber, wie ich jetzt weiß, grundfalsch. Nicht feierlich sein, was aufs Ganze hin angesehn vielleicht ein Vorzug ist, kann auch zum Verbrechen werden, jedenfalls zur
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