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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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dickbäuchiger Kapitän und Mann des steifen Grog eigentlich hätte haben müssen: einen gewissen Teerjackenhumor, auch von diesem keine Spur. Er vermochte sich nicht einmal zu einer Anekdote aufzuraffen, und wenn er es tat, verdarb er sie. Seine Produktion war stupend; er konnte in einem fort schreiben, ohne ein Wort auszustreichen; sein Schaffen, wenn man’s überhaupt so nennen durfte, hatte was Ehernes, Unerbittliches. Immer waren Massen auf Lager, und so kam es, daß man ihn im Tunnel als ein »Füllsel« betrachtete, das, wenn alles andere fehlte, jederzeit eingestopft werden konnte. Das bedeutete nicht viel, aber umschloß doch immer noch eine gewisse Schätzung, und in dieser Schätzung, so klein sie war, blieb er auch, solang er ein freier Schriftsteller blieb. Als er aber in der sogenannten Reaktionszeit als ein ganz kleiner Beamter in die Kriegsministerialbibliothek einrückte – Scherenberg, der mit Grausen daran zurückdachte, war da sein Untergebener –, kam etwas zum Vorschein, was man bis dahin nicht an ihm gekannt hatte: Servilismus. Er sah nur noch nach dem Auge »hoher Vorgesetzter«. Keiner derselben, die eben Besseres zu tun hatten, kümmerte sich um ihn und seinen ganzen Kram, aber er setzte Mienen auf, als ob das Kriegsministerium ein Etwas sei, das mit der Kriegsministerialbibliothek stehe und falle. Dem schloß er sich auch in seinen Redewendungen an und geriet in jene Sprache hinein, in der der »Drache der Revolution«, »Einstehn für die höchsten Güter der Menschheit«, »sichrer als auf den Schultern des Atlas« – herkömmliche Wendung für die preußische Armee – wie Alltagsworte herumflogen.
    Ich habe so viel Grog in seinem Hause getrunken, daß es eigentlich schlecht ist, so viel Anzügliches hier von ihm zu sagen. Aber ich nehme es schließlich auf mich. Es war noch in den fünfziger Jahren, als ich mich in sein Haus eingeführt sah, und zwar durch Hesekiel, der im Hause Smidt der »Pascha von drei Roßschweifen« war, dabei den Küchenzettel schrieb und von Mutter und Tochter gleich abgöttisch verehrt wurde. Nicht zu verwundern! Wer an Heinrich Smidts Seite dreißig Jahre verlebt hatte, dem mußte jedesmal eine neue Welt aufgehn, wenn sich Hesekiel auf seine »goldnen Rücksichtslosigkeiten« stimmte. Starke Sachen liefen dabei freilich mit unter, aber nur desto besser; wo Langeweile durch ein Menschenalter hin grausam geherrscht hatte, waren Zynismen das erlösende Wort. Ich habe diesen Bacchanalen, die nach ihrem materiellen und geistigen Gehalt halb Bauernhochzeit, halb Kunst- und Literaturkneipe waren, manch liebes Mal beigewohnt und denke mit diabolischem Vergnügen daran zurück. Schauplatz war ein altes interessantes Haus in der Krausenstraße, dicht an der Mauerstraße; Wirt ein Bäcker, unten Laden und Backraum, darüber ein erster Stock, den Heinrich Smidt bewohnte. Dann kam ein hohes Dach mit einer unter einem Holzvorbau steckenden Winde, daran die feisten Mehlsäcke in die Höhe gewunden wurden. Mitunter hing solch ein Mehlsack schräg neben dem Fenster des Zimmers unseres Tuns gelten. Denn wir standen recht eigentlich im Zeichen des Mehlsacks: ungeheuere Schüsseln voll Makkaroni – Hesekiels Lieblingsspeise – erdrückten fast die Tafeln. Indessen siegreich über alles blieben doch die zwei Punschbowlen, die sich untereinander ablösten. Alles lachte, strahlte. Denn Hesekiel hatte gerade das Wort, und mit jenen Redederbheiten, auf die er sich wie selten einer verstand, ging er nun vor, nicht etwa um politische oder literarische Feinde abzuschlachten, das hätten andere auch gekonnt, sondern um seine Schwadronshiebe gegen die Tunnel-Freunde, gegen den »aufgesteiften Kugler«, gegen den »überschätzten und politisch zweideutigen Scherenberg«, gegen den »großmäuligen Widmann und den noch großmäuligeren Orelli«, ganz zuletzt aber, wenn er mit dem Tunnel fertig war, seine Hauptkeulenschläge gegen seine Kollegen von der Kreuzzeitung zu führen, von denen ihm der eine zu ledern, der andere zu leisetretrig, ein dritter zu fromm und ein vierter zu schustrig war. Ich hörte beglückt zu und stieß mit ihm an, wobei sich jeder denken konnte, was er wollte.
    Was war nun aber Heinrich Smidt als Schriftsteller? Hier muß ich schließlich doch Besseres von ihm sagen, als ich bis dahin konnte. So langweilig und unbedeutend er war, er war doch ein Talent, beinah ein großes. Natürlich auf seine Art, alles in allem ein wundervoller Fadenspinner. Zwischen

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