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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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48er Volksreden. Da mit einem Male ist der andere auch da, ganz heruntergekommen, erkennt seinen Mitschuldigen von ehedem und weiß nun: »Jetzt ist dir geholfen.« Aber der andere weiß es auch, weiß, daß es jetzt heißt: »Er oder ich«, und in der klaren Erkenntnis davon stößt er den alten und morsch gewordenen Komplizen von der Brüstung eines hart an den Eisenbahnschienen gelegenen Gartenhauses hinunter, und zwar in demselben Augenblicke, wo der Zug heranbraust. All dies ist mit einer wirklichen Vehemenz geschildert und derartig packend, daß ich, als ich fertig war, ausrief: »Klein-Zola«. Viele Szenen hatten mich an »La bête humaine« erinnert.
    Heinrich Smidt
    Von sehr andrem Gepräge war der , von dem ich jetzt erzählen will, Heinrich Smidt . Er führte den Beinamen der »deutsche Marryat«, übrigens ohne von seinem Namenspaten – den Schauplatz seiner Erzählungen: das Meer, abgerechnet – viel an sich zu haben. In Deutschland ruht man nicht eher, als bis man einen Dichter oder Schriftsteller durch Aufklebung solches Zettels, wohl oder übel, untergebracht hat. Es spricht sich, wenig schmeichelhaft für uns, das Zugeständnis einer Untergeordnetheit und Abhängigkeit darin aus, sonst hätte solcher Brauch nie Mode werden können. Am meisten hat Jean Paul darunter zu leiden gehabt, dem gleich eine Gesamtähnlichkeit mit der Gruppe der englischen Humoristen des vorigen Jahrhunderts angeredet wurde. Dabei hat er fast gar keine Ähnlichkeit mit ihnen und ist – je nachdem – teils weniger, teils mehr.
    Heinrich Smidt war ein Holsteiner, in Altona 1798 geboren, und wurde Seemann. Als solcher führte er ein eigenes Schiff und war wohl schon über dreißig Jahre alt, als er Veranlassung nahm, das unsichere Meer da draußen aufzugeben, um es mit einem für die meisten Sterblichen noch unsicherern Aktionsfelde zu vertauschen. Ihm aber glückte es; er fuhr nicht schlecht dabei; seine Gaben und Nicht-Gaben – diese fast noch mehr als jene – halfen ihm.
    Als ich in den Tunnel eintrat, war er wohl schon zehn Jahre Mitglied und einer von denen, die mir sofort freundlich ihre Hand entgegenstreckten. Da sich’s aber um Heinrich Smidt handelt, muß ich, statt einfach von »Hand«, eigentlich von einer »biederen Rechten« sprechen. Ich habe wenig Menschen kennengelernt, die so ausgesprochen Inhaber einer »biederen Rechten« gewesen wären. Alle gehörten selbstverständlich in die Kategorie der faux bonhommes, und ein wahres Musterexemplar dieser Gattung war auch Heinrich Smidt. Damals nahm ich übrigens keinen Anstoß daran, strich vielmehr umgekehrt all die Vorteile ruhig ein, die man von der Begegnung mit solchen Menschen hat, Menschen, die zunächst ganz wundervoll gemütlich sind und ihre wahre Natur erst offenbaren, wenn sie sich durch das, was man tut oder auch nicht tut, in ihrem Interesse bedroht oder geschädigt glauben. Erst in meinen späteren Jahren habe ich eine tiefe Abneigung gegen diese mehr oder weniger gefährlichen Personen ausgebildet, und wenn derartige Gefühle trotzdem hier schon zum Ausdruck kommen sollten, so sind es post festum-Gefühle; damals war ich noch ganz im Bann der »biederen Rechten«. Ich muß hinzusetzen, daß Heinrich Smidts ganze Erscheinung dazu angetan war, ihm ein unbedingtes Vertrauen entgegenzubringen. Er war der typische Schiffskapitän kleinen altmodischen Stils: mittelgroß, dicker Bauch und kurze Beine, mit denen er, sei’s aus Gewohnheit, sei’s aus Berechnung – ich halte letzteres für sehr wohl möglich – den bekannten Seemannsgang, das Fallen vom rechten aufs linke Bein, virtuos ausführte. Dazu Treuherzigkeitsmienen und vor allem auch Treuherzigkeitssprache.
    Der Tunnel, der sich sonst nicht gerade durch Scharfblick auszeichnete, hatte doch, mir weit voraus, längst weg, was es mit der Bonhommeschaft dieses deutschen Marryat eigentlich auf sich habe, und wies ihm genau die Stellung an, die ihm zukam. »Es lag nichts gegen ihn vor«, und danach wurde er behandelt, artig und schmunzelnd, aber doch immer reserviert. Man nahm ihn nicht für voll und konnte ihn nicht dafür nehmen, denn ich sage nicht zuviel, wenn ich behaupte, daß in den zehn Jahren unseres gesellschaftlichen Verkehrs auch nicht ein einziger selbständiger Gedanke über seine Lippen gekommen ist. Er war im höchsten Grade trivial, dabei seine Gemeinplätze, selbstverständlich, wie Offenbarungen vortragend. Witz absolut ausgeschlossen. Aber auch das, was er als Altonaer Kind, als

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