Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
geschrieben, nur noch ein Seitenstück findet. Dies heißt »Thomas Cranmers Tod«. Auch ein brillanter Stoff. Cranmer, anglikanischer Bischof, soll, als Maria Tudor die katholische Kirche zu neuer Herrschaft führen will, seinen englisch-protestantischen Glauben abschwören, und in der Schwäche des Fleisches gibt er auch nach. Nachdem er aber abgeschworen hat, erfaßt ihn Scham und Reue, und als die Klerisei bei einer dazu festgesetzten Zeremonie darauf wartet, daß er den bis dahin nur im engsten Kreise geleisteten Widerruf nun auch öffentlich in der Westminsterabtei und in Gegenwart aller katholischen Kirchenfürsten des Landes bestätigen werde, widerruft er seinen Widerruf und bricht, seine Schwurfinger erhebend, in die Worte aus: »Ins Feuer die verruchte Hand« – ein Wort, das er dann wenige Wochen später mit seinem Märtyrertod auf dem Scheiterhaufen besiegelte. Der Stoff, wie schon hervorgehoben, ist ergreifend, einzelnes auch im Ausdruck ungemein packend; aber es ist als Ganzes zu lang, und in dieser Länge geht die Balladenwirkung verloren. Lepel, wie die meisten Tunnelianer, hatte kein rechtes Kompositionstalent; er hatte den dichterischen Ehrgeiz und auch die Kraft, ganz vorzügliche Strophen im einzelnen zu bilden, aber der Aufbau des Ganzen ließ in den meisten Fällen allerlei zu wünschen übrig. Am auffälligsten zeigte sich dies in seiner großen Ballade »Die Dänenbrüder«, worin die bekannte Geschichte von König Erich und Herzog Abel – welcher letztre den auf der Schlei fliehenden König durch Gudmunsen verfolgen und bei Missunde ermorden läßt – behandelt wird. Es finden sich in dieser Ballade Strophen von erstem Range.
Mein Fährmann, sei nicht träge,
Dein König lohnt es dir,
Ich höre Ruderschläge
In der Ferne hinter mir…
Doch wie sie die Gewässer
Auch schlugen gut und viel,
Gudmunsen ruderte besser,
Und schneller war sein Kiel.
Das ist in bezug auf Balladenton nicht leicht zu übertreffen, aber das Ganze geht trotzdem aus wie das Hornberger Schießen. Es verläuft nicht nur mehr oder weniger prosaisch, sondern bricht auch ohne rechten Schluß ab. Sehr schade. Bei der Energie des Ausdrucks, die Lepel seinen Strophen zu geben wußte, hätte er, bei mehr Kompositionstalent, gerade in der Ballade Bedeutendes leisten müssen.
Am dichterisch höchsten, wenigstens in allem, was die Form angeht, steht er in Schöpfungen, die verhältnismäßig zu geringer Geltung gekommen sind: in seinen Oden und Hymnen, also in Dichtungen, in denen er recht eigentlich als Schüler Platens auftritt, dem er in sprachlicher Vollendung sehr nahekommt und den er an Empfindungswärme gelegentlich übertrifft. Ein Meisterstück ist seine 1847 geschriebene Ode »An Alexander von Humboldt«.
Ins Zeichen der Waage trat die Sonne
Bei deiner Geburt.
Gleichmaß und Gesetz
Zu finden erschienst du, sei’s im Weltraum.
Wo kreisender Stoff
An Stoffe gebannt,
Sei’s, wo in des Meergrunds tiefster Verborgenheit
Durch zelliges Moos der Trieb der Atome kreist.
Der Dichter entrollt dann im weiteren den Menschheits- und Kulturgang und zeigt uns, wie das Licht der Erkenntnis das Dunkel des Aberglaubens zu besiegen beginnt.
Schon lichtete sich’s, und aus der Krippe
Sah liebend empor
Der lächelnde Gott.
Doch wieder verbarg der Rauch des Altars
Mit düstrer Gewalt
Die göttliche Stirn,
Und dunkle Nacht umgraute den Forscherblick…
Da rüttelten Geister wieder am Eisenstab,
Und kecken Rufs ausbrach die Wahrheit
Hinter dem Schwure des Galilei.
Und immer heller wird’s… Und sieh,
Mit freierm Schwung jetzt flog im Weltraum
Der sinnende Geist;
Planeten ergriff
Und wog die gewaltige Hand des Newton:
Aufdeckt er der Welt
Festhaltende Kraft…
So ein paar Glanzstellen aus dem Humboldt-Hymnus. Von gleicher Schönheit ist eine an »König Friedrich Wilhelm IV.« gerichtete Ode. Sie ist im Sommer 1848 geschrieben und fordert den König auf, den »Kelch des Dulders« aus der Hand zu stellen und dem »Geweb’ arglist’ger Lüge« gegenüber zum Schwert zu greifen. Ein Ruf also nach Reaktion, so scheint es. Aber die Gesinnung, aus der heraus er seine Forderung, »zum Schwert zu greifen«, stellt, ist nicht etwa eine höfisch-servile, sondern umgekehrt eine derartig edelmännisch-freie, daß man über die Sprache staunt, die hier ein Gardeleutnant vor seinem König führt.
Ergreif’ das Schwert, da Deine Schuld
Du gesühnt Durch tiefe Demut vor der erzürnten Welt,
Nie stand so tief
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