Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
dergleichen hat, aber auch das bleibt ein gewagtes Mittel, weil es als Anspruch auf Ebenbürtigkeit gedeutet werden, also mehr kosten als einbringen kann. So steht man denn in seiner weißen Binde, die, wenn man Unglück hat, auch noch schief sitzt, ziemlich verlassen da und liest auf der Mehrzahl der Gesichter: »Nun ja, er wird wohl darüber schreiben wollen«, was zwar alle dringend wünschen, aber trotzdem von jedem einzelnen als etwas Niedriges und beinahe Gemeines angesehen wird. So liegt es noch. Auch hohe Semester schützen nicht vor solchen Unterstellungen. Und wie hätt’ ich im Herbst 1847, als eben fertig gebackener Apothekenprovisor, meine von meinem alten Lepel geforderte Freundesrolle vor dem neuvorpommerschen, beziehentlich insel-usedomschen Uradel spielen wollen!
Ich war also nicht auf der Hochzeit und sah das junge Paar erst, als es im Spätherbst 1847 eine hübsche Wohnung in der Holzmarktstraße – wegen Nähe der Franz-Kaserne – bezogen hatte. Lepel war glücklich und litt, wie so viele Militärs, nur darunter, daß sich der neubegründete Hausstand auf schwiegerelterlichen Mitteln aufbaute. Daß er, Lepel, außerdem noch Verse machte, verschärfte, besonders nach seinem im Sommer 48 genommenen Abschied aus der Armee, die von Jahr zu Jahr sich mehrenden Schwierigkeiten. In dieser Situation entwarf mein Freund einen infernal klugen Plan, um wenigstens – seine Schwiegereltern waren fromm – vor jeglichen auf seine Versemacherei gerichteten Angriffen ein für allemal gesichert zu sein. Er beschloß nämlich, sich an biblische Stoffe zu machen, also durch den Stoff die Familie zu versöhnen, und durfte das auch ohne große Untreue gegen sich selbst und – mich. Denn soviel uns zeitlebens die Stoff-Frage beschäftigt und gegolten hatte, so waren wir als echte Platenianer doch auch andererseits wieder von der Gleichgültigkeit des Stofflichen durchdrungen. Form war alles; die Form machte den Dichter, und so durfte sich Lepel denn nicht nur unter der Zustimmung seiner Familie, sondern auch im eignen künstlerischen Gewissen durchaus beruhigt, an biblische Stoffe heranmachen. Er verfuhr dabei zugleich sehr praktisch. Langsamer Arbeiter von Natur, wurd’ er es jetzt auch aus Prinzip und lebte sich, als kluger Feldherr, in den Gedanken ein, die Produktion von »mehr als einem Akt pro Jahr« als Überproduktion oder, was dasselbe sagen will, als ein Etwas anzusehen, das er vor dem Ernst der Kunst nicht verantworten könne. Dank dieser seiner halb echten, halb erkünstelten literarischen Gewissenhaftigkeit kam er in die für seine Finanzen überaus glückliche Lage, der Ungeduld seiner Schwiegereltern gegenüber auf das langsame Heranwachsen der fünf Akte seines Zukunftsdramas als auf etwas durchaus »Höheres« hinweisen zu können Aber freilich, zuletzt mußte doch mal was kommen. Und es kam auch. Nur leider zu keines Menschen Freude, nicht einmal zu der des Dichters. Das Stück – ein »König Herodes« – war verfehlt, mußte verfehlt sein; denn sein Verfasser, wie die meisten Stückeschreiber, die sich, allem anderen vorauf, an Verse-Heraustiftelung machen, hatte wenig dramatisches Talent. An einem Stück ist die Sprache zunächst ganz gleichgültig. Erst wenn es von der Bühne her gefallen hat, wird man sich damit beschäftigen, ob es auch dichterisch und sprachlich von Wert ist. Hülsen, ein Freund Lepels, nahm das Stück an, aber alle Bemühungen konnten es nicht halten; es kam über drei Aufführungen nicht hinaus. Ich lebte damals in London und schrieb ihm, ich hätte von den drei üblichen »Schleifungen über die Bühne« gelesen und erwartete von seinem guten Humor, daß er sich rasch über die Sache trösten werde. Damit war es aber nichts; er war tief verstimmt, und so beispiellos gütig und nachsichtig er sonst gegen mich war, das Wort von den »drei Schleifungen« hat er mir nie verziehen.
Als ich bald darauf nach Deutschland zurückkehrte, sprachen wir über all das, und ich sagte: »Nun, Lepel, ein Gutes hast du doch von deinem ›Herodes‹ gehabt: in den Augen deiner Familie dienst du darin der ›rechten Sache‹, und schon um deshalb werden sie mit dir zufrieden sein.« Er lächelte wehmütig. »Ach, Fontan, ich habe mich in allem verrechnet. Sie sind gar nicht so sehr gegen die Schreiberei als solche, wie ich immer angenommen habe; sie verlangen bloß – daß es endlich was einbringt. Und daß dieser ›Herodes‹ so gar nichts eingebracht hat, das ist schlimmer als
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