Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
immer verklärte. Weiter ging er aber nicht. Er selber stimmte nicht ein, begnügte sich vielmehr, das eben Gehörte nach Spitzelart weiter zu melden. Solche Gestalten sind jetzt im Verschwinden; er vertrat noch ganz den alten Komödiantentartüff, den man schon merkt, noch eh er um die Ecke gebogen. Die heurigen sind viel gefährlicher, weil sie gröber auftreten. Und Grobheit gilt nun mal für gleichbedeutend mit Rechtschaffenheit und Wahrheit. Grobheit hat etwas Sakrosanktes. Aber zurück zu unsrem Inspektor! Er ist mir durch manche wunderliche Szene noch lebhaft in Erinnerung, am meisten durch einen »Refus«, zu dem er freilich, einem vorhandenen Reglement entsprechend, nicht bloß berechtigt, sondern sogar gezwungen war, was nicht ausschließt, daß er diesem Reglement auch gern gehorchte. Dafür sorgte seine kleinliche Natur. Und so kam es denn, daß er, als ich meine zwei Zimmer einrichten wollte, gegen jede die Wandfläche schädigende Handlung, also ganz besonders gegen jeden einzuschlagenden Nagel feierlich Protest einlegte, sich dabei auf den »Herrn Baurat« berufend, der dergleichen verboten und jedes neue Nageleinschlagen von seiner vorgängigen Erlaubnis abhängig gemacht habe. Wir alle: Dr. Wald, Wilms und ich, wahrscheinlich auch die andern Bewohner des Hauses, waren über diesen ungeheuren Blödsinn dermaßen empört, daß wir höheren Orts anfragten, »ob sich das wirklich so verhalte«. Worauf man uns achselzuckend mitteilte: »Ja, das sei so.« Ganz neuerdings ist mir ein Akt ähnlich ridiküler Baumeistertyrannei zur Kenntnis gekommen, so daß also derlei Dinge nicht Spleen oder Anmaßung eines einzelnen, sondern, namentlich bei Staats- und öffentlichen Bauten, ein gut preußisches Herkommen zu sein scheinen. Ich schicke dabei voraus, daß ich ein Baumeisterschwärmer bin, etwa wie die meisten Menschen Oberförsterschwärmer zu sein pflegen. Einzelne Berufe sind eben bevorzugt. Aber das mit dem nicht »einzuschlagenden Nagel« oder gar – wie in dem zweiten Falle – das Verbot eines an einer höchst fragwürdigen Kasernenbaufront anzubringenden Fensterladens ist mir denn doch zuviel gewesen. Da spricht man immer von Maleranmaßung, wenn irgendwo ein unglücklicher Pittore glaubt, sich gegen eine von Pater familias gewünschte Farbenungeheuerlichkeit auflehnen zu müssen, oder man eifert auch wohl gegen den Eigensinn und Dünkel eines armen Tragödienschreibers, der zwei Menschen, die, seiner Meinung nach, sterben müssen, nicht in der Matthäikirche trauen lassen will. Aber was wollen diese sogenannten Maler- und Dichtereigensinnigkeiten sagen gegen diesen Architektenhochmut, der mir das Anbringen eines mich leidlich gegen Blendung schützenden Fensterladens verbieten und mich, vielleicht auf ein Menschenalter hin, zum Schmoren in der Nachmittagssonne verurteilen will.
Bethanien war eine Schöpfung Friedrich Wilhelms IV., der diesem Diakonissenhause, von Beginn seiner Regierung an, seine ganz besondere Liebe zugewandt hatte. 1845 wurde der Grundstein gelegt und 1847 die Anstalt eröffnet. An der Spitze stand, wie schon hervorgehoben, die Gräfin Rantzau. Hier ihres Amtes zu walten, war damals eine sehr schwierige Aufgabe, die viel Takt erheischte. Denn die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen auf protestantischer und, wie mancher fürchtete, vielleicht sogar auf katholischer Kirchlichkeit aufgebauten Krankenhause nicht viel wissen. Der Gräfin lag es also, neben andrem, ob, die ziemlich widerwillige öffentliche Meinung mit Bethanien zu versöhnen. Sie vermied dementsprechend alle Friktionen, und wenn es mir auch gewiß ist, daß spätere Oberinnen ihr nicht nur an kirchlicher Dezidiertheit, sondern namentlich auch an Rührigkeit und Rüstigkeit – sie war von Anfang an sehr krank, starb auch früh – überlegen gewesen sind, so möcht’ ich doch behaupten dürfen, daß sie die zu solcher Stellung wünschenswerten Eigenschaften in ganz besonders hohem Maße besessen habe. Der König, als er sie wählte, zeigte auch darin wieder seine feine Fühlung.
Soviel über die Gräfin. Ihr erster Minister war Pastor Schultz , einer der Bestgehaßten jener Zeit. Aber auch bei ihm durft’ es heißen: »Viel Feind’, viel Ehr’.« Er gehörte ganz in die Reihe der unter Friedrich Wilhelm IV. einflußreichen und oft maßgebenden Persönlichkeiten, und was von den Gerlachs, von Hengstenberg und zum Teil auch wohl von Büchsel – der freilich, im Gegensatz zu den andren, sich durch seinen
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