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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Herr?« fragte ich einen neben mir Stehenden.
    »Das ist der Herr Schulvorsteher von hier drüben.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Ich glaube Schaefer; er kann aber auch Scheffer heißen. Ich werde mal Roesike fragen… Sage mal, Roesike…«
    Und es war ersichtlich, daß er, mir zuliebe, seinen Freund, den Bäcker Roesike, wegen »Schaefer oder Scheffer« interpellieren wollte. Kam aber nicht dazu. Denn in ebendiesem Augenblicke hatte sich der Schulvorsteher neben dem Tisch des den Wahlakt leitenden alten Herrn aufgestellt und sagte – ein paar Schlagwörter sind mir im Gedächtnis geblieben – ungefähr das Folgende:
    »Ja, meine Herren, was uns hergeführt hat,… wir sind hier in diesem weiten Raum versammelt, und es ist wohl jeder von uns davon durchdrungen. Und jeder dankt auch wohl Gott, daß wir ein Fürstengeschlecht haben wie das unsrige. Kein Land, das ein solches Geschlecht hat, und wir stehen zu ihm in Liebe und in Treue… Aber, meine Herren, nicht Roß, nicht Reisige… Sie wissen, auch an dieser Stelle ist heldenmütig gekämpft worden, Bürgerblut ist geflossen, und der Sieg ist auf unserer Seite geblieben. Es handelt sich darum, diesen Sieg an unsre Fahne zu ketten. Und dazu bedürfen wir der richtigen Männer, die sich jeden Augenblick bewußt sind, daß das deutsche Gemüt einer Niedrigkeit nicht fähig ist. Und Verrat an unsren heiligsten Gütern ist Niedrigkeit. Unter uns, das weiß ich, ist niemand. Aber nicht alle denken und fühlen so, da sind ihrer noch viele, die der Freiheit nach dem Leben trachten. Mit Geierschnäbeln hacken sie danach. Ich bin deshalb für Anschluß an Frankreich und sehe Gefahr für Preußen in jenem Mann, der Polen eingesargt hat und unsre junge Freiheit nicht will. Also, meine Herren, Männer von verbürgter Königs-, aber zugleich auch von verbürgter Volkstreue: Jahn, Arndt, Boyen, Grolman, vielleicht auch Pfuel. Die werden unsre Fahne hochhalten. Ich wähle Humboldt.«
    Diese Rede wurde mit Beifallsgemurmel aufgenommen, und nur der Vorsitzende lächelte. Zu Widerlegungen sah er sich aber nicht gemüßigt, und so fiel mir Ärmsten denn die Aufgabe zu, dem einem allerhöchsten Ziele wild nachjagenden Schulvorsteher in die Zügel zu fallen. Sehr gegen meine Neigung. Ich war aber über dies öde wichtigtuerische Papelwerk aufrichtig indigniert und bemerkte dementsprechend mit einer gewissen übermütigen Emphase, »daß uns hier nicht zubestimmt sei, für die Hohenzollern oder für die Freiheit direkt Sorge zu tragen, sondern daß wir hier in der Gotteswelt weiter nichts zu tun hätten, als in unsrer Eigenschaft als bescheidene Urwähler einen bescheidenen Wahlmann zu wählen. All das andre käme nachher erst; da sei dann der Augenblick da, Preußen nach rechts oder nach links zu leiten. Hoffentlich nach links. Ich müßte deshalb auch darauf verzichten, Alexander von Humboldt an dieser Stelle meine Stimme zu geben und wäre vielmehr für meinen Nachbar Bäcker Roesike, von dem ich wüßte, daß er ein allgemein geachteter Mann sei und in der ganzen Gegend die besten Semmeln hätte.«
    Da zufällig kein andrer Bäcker zugegen war, so war man mit meinem Vorschlag allgemein einverstanden; aber Roesike selbst, allem Ehrgeiz fremd, wollte von seiner Wahl nichts wissen, schlug vielmehr in verbindlicher Revanche mich vor, und als wir zehn Minuten später das Wahllokal verließen, war ich in der Tat Wahlmann .
    Dies war mein Debüt auf dem Wollboden, zugleich erstes und letztes Auftreten als Politiker.
     
    Am Abend ebendieses Tages ging ich nach Bethanien hinaus, um dort dem Pastor Schultz, mit dem ich, trotz weitgehendster politischer und kirchlicher Gegensätze, befreundet war, einen Besuch zu machen. Als ich draußen ankam, sah ich an den im Vorflur an verschiedenen Riegeln und Haken hängenden Hüten und Sommerüberziehern, daß drinnen im Schultzschen Wohnzimmer Besuch sein müsse. Das war mir nicht angenehm. Aber was half es, und so trat ich denn ein. Um einen großen runden Tisch herum saßen sechs oder sieben Herren, lauter Pommersche von Adel, unter ihnen ein Senfft-Pilsach, ein Kleist, ein Dewitz. Aus ein paar Worten, die gerade fielen, als ich eintrat, konnt’ ich unschwer heraushören, daß man über die Wahlen sprach und sich darüber mokierte. Schultz, sonst ein sehr ernster Mann – zu ernst –, war der ausgelassenste von allen, und als er mich von der Tür her meine Verbeugung gegen die Herren machen sah, rief er mir übermütig zu: »Was führt dich her!

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