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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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lernen und zu belohnen, als auf diesem. Ich habe die Anekdote aus Graf Haugwitz’ eigenem Munde. Es war unmittelbar nach der Kaiserkrönung, als Narbonne, damals Oberst, dem Kaiser eine Depesche überbrachte. Er ließ sich auf ein Knie nieder und präsentierte den Brief auf seinem Hute. ›Eh bien‹, rief der Kaiser, ›qu’est ce que cela veut dire?‹ Der Oberst antwortete: ›Sire, c’est ainsi qu’on présentait les dépêches à Louis XVI.‹ ›Ah, c’est trèsbien‹, antwortete der Kaiser, und Narbonne war als Günstling installiert. Übrigens sind auch die Desaix vom ancien régime, alter Adel aus der Auvergne.«
    Rutze hatte gleich anfangs aufgehorcht, als General Desaix genannt worden war. Jetzt, wo die Gräfin den Namen wiederholte, wandte er sich mit der bestimmten und doch zugleich von einer Unglücksahnung durchzitterten Bemerkung zu ihr hinüber: daß seines Wissens General Desaix im Kriege gegen die Österreicher gefallen sei. Er entsinne sich eines Musikstückes: »Die Schlacht bei Marengo«, in dem es am Schluß in einer Parenthese geheißen habe: »Desaix fällt.«
    Selbst über Krachs unerschütterliches Antlitz flog ein Lächeln; Drosselstein wollte aufklären, Bamme jedoch kam ihm zuvor und begann mit jener erkünstelten Feierlichkeit, in der er Meister war: »Ja, Rutze, es ist eine tolle Welt. Da fällt einer anno 1800 bei Marengo in voller Junihitze, und am Heiligen Abend 1812 sitzt er bei Seiner Majestät von Preußen zu Tisch. Es sind unglaubliche Kerls, diese Franzosen. Nicht mal ihre Toten ist man los. Sie drängen sich in Diners ein; wer weiß, was wir heute noch zu erwarten haben. Im übrigen wird es wohl ein älterer oder jüngerer Bruder gewesen sein.«
    Der Protzhagener Hauptmann verfärbte sich und antwortete pikiert: er danke dem General von Bamme für die schließliche Lösung des Rätsels, müsse sich aber die Bemerkung erlauben, daß es hierzu keiner besonderen Husarenschlauheit bedurft hätte. Aufschlüsse wie diese lägen auch noch innerhalb des Infanteriebereichs.
    Bamme lachte; jede Form der Entgegnung war ihm recht. Er nahm nichts übel und befand sich in der glücklichen Lage, um eines Mutes willen, den niemand bezweifelte, seine Pistolen nicht erst laden zu müssen.
    Der Zwischenfall währte nicht lange; die Gräfin beschwichtigte, und ein vorzüglicher Chablis, der gereicht wurde, kam ihr zu Hilfe, während von Medewitz, ohne Furcht, dem Streite dadurch neue Nahrung zu geben, die Namen Narbonne und Desaix noch einmal in die Debatte zog. »Es sind doch Männer von Familie, der eine wie der andere«, so hob er an, »aber mit wie sonderbaren Leuten hat Seine Majestät vom ersten Tage seiner Regierung an zu Tische sitzen müssen! Mit einem war ich im Weißen Saale selbst zusammen, mit dem Abbé Sieyès. Ich erschrak, als ich seinen Namen hörte. 1793 sprach er einem Könige von Frankreich das Leben ab, und 1798 saß er einem Könige von Preußen als Ambassadeur gegenüber. Er trug eine trikolore Schärpe; ich sah nur das Rot darin, und sooft er sagte: ›Votre Majesté‹, war es mir immer, als hörte ich: ›La mort sans phrase‹.«
    »Ich habe ihn auch gesehen«, bemerkte Krach, mit Wichtigkeit an seinem Halstuch zupfend. »Medewitz will ihn nicht gelten lassen, aber er war doch wenigstens ein Abbé. Auch gehört etwas dazu, einem Könige von Frankreich das Leben abzusprechen. Doch diese Marschälle! Gastwirts- und Böttchersöhne.«
    »Je nun«, fiel Drosselstein ein, »Böttchersöhne oder nicht, sie haben von halb Europa so viele Reifen abgeschlagen, daß die Dauben nach rechts und links hin auseinandergefallen sind. Ich liebe diese Marschälle nicht, an denen die Korporalslitzen immer wieder zum Vorschein kommen, aber eines sind sie: Soldaten.«
    »Das sind sie!« rief jetzt Bamme, sein Ragout en Coquille schärfer in Angriff nehmend, »und wer nur je einen Halbzug ins Feuer geführt hat, der hat Respekt vor ihnen, Schelme und Beutelschneider wie sie sind.«
    »Wie sie sind«, wiederholte der Domherr, eingedenk jener schweren Tage, in denen er seine Dosensammlung nur mit Mühe vor den Händen Soults gerettet hatte.
    »Nur einem trag’ ich einen Groll im Herzen«, fuhr Bamme fort.
    »Davoust?« fragte Lewin.
    »Nein, Seiner neapolitanischen Majestät dem König Murat. Der will im großen und kleinen etwas Besonderes sein, unter anderen auch ein gewaltiger Reitergeneral, weil er das Mamelukengesindel in den Sand geritten hat. Aber ein Zietenscher hat ihm

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