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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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verstohlenen Blick auf das Individuum unter der Pumpe, als ob er irgendein Interesse an seinem Tun und Lassen nähme.
    »Du scheinst mir ein seltsamer Kamerad, deinem Aussehen nach«, dachte Herr Weller, als seine Augen zum ersten Mal den Blicken des Fremden in der maulbeerfarbenen Livree begegneten, der ein breites, schmutziges, häßliches Gesicht, tief eingefallene Augen und einen riesenhaften Schädel hatte, von dem eine Portion schlichtes, schwarzes Haar niederrollte. »Ein seltsamer Kamerad«, dachte Herr Weller, fing an sich zu waschen und dachte nicht mehr weiter über ihn nach.
    Immer schielte der Mensch von seinem Gebetbuche nach Sam und von Sam in sein Gebetbuch, als ob er eine Unterhaltung anzuknüpfen wünschte. Endlich fragte Sam, um ihm eine Gelegenheit dazu zu geben, mit einem vertraulichen Kopfnicken:
    »Wie geht es Ihnen, Herr Hauskandidat?«
    »Gottlob, gut, ziemlich gut, Herr«, antwortete der Mensch mit bedächtiger Langsamkeit, und machte das Buch zu. »Ich hoffe bei Ihnen findet das gleiche statt, mein Herr?«
    »Nun, wenn ich weniger Ähnlichkeit mit einer wandelnden Branntweinflasche in mir fühlen würde, wäre ich diesen Morgen ganz wohlauf«, antwortete Sam. »Logieren Sie in diesem Hause?«
    Der Maulbeerfarbene bejahte.
    »Warum haben Sie denn gestern Nacht nicht mitgemacht?« fragte Sam, sein Gesicht mit dem Handtuche reibend. »Sie mögen mir ein lustiger Bruder sein – sieht so gesellig aus, wie eine lebende Forelle in einem Weidenkorb«, setzte Herr Weller leise hinzu.
    »Ich war gestern abend mit meinem Herrn auswärts«, erwiderte der Fremde.
    »Wie nennt er sich?« fragte der Herr Weller, dem eine plötzliche Aufregung noch mehr Blut ins Gesicht trieb, als er bereits durch die Reibung mit dem Handtuche hervorgerufen hatte.
    »Fitz-Marshall«, antwortete der Maulbeerfarbene.
    »Geben Sie mir die Hand«, sagte Herr Weller nähertretend; »ich möchte gern mit Ihnen bekannt werden. Ihr Gesicht gefällt mir, alter Kamerad.«
    »Nun, das ist höchst seltsam«, bemerkte der Maulbeerfarbene mit großer Einfalt. »Sie gefielen mir so sehr, daß ich vom ersten Augenblick an, da ich Sie unter der Pumpe sah, mit Ihnen zu sprechen wünschte.«
    »Wirklich?«
    »Auf mein Wort. Nun, ist das nicht kurios?«
    »Sehr sonderbar«, sagte Sam, sich im Innern über die Gefügigkeit des Fremden gratulierend.
    »Wie nennen Sie sich, mein Erzvater?«
    »Hiob.«
    »Das ist j» wirklich ein wackerer Name: der einzige meines Wissens, der nicht verketzert worden ist. Wie heißen Sie weiter?«
    »Trotter«, antwortete der Fremde. »Und Sie?«
    Sam dachte an die von seinem Herrn anempfohlene Behutsamkeit und antwortete:
    »Mein Name ist Walker und mein Herr heißt Wilkins. Wollen Sie ein Morgenschlückchen mit mir nehmen, Herr Trotter?«
    Herr Trotter ging auf den angenehmen Vorschlag ein, steckte sein Buch in die Jackentasche und begleitete Herrn Weller in die Trinkstube. Dort waren sie bald mit der Untersuchung einer aufheiternden Mischung beschäftigt, die sich in einem zinnernen Gefäß befand und aus einer gewissen Quantität Wacholderbranntwein und Nelkenessenz gebraut war.
    »Und was haben Sie für eine Stellung?« fragte Sam, als er das Glas seines Gefährten zum zweiten Male füllte.
    »Eine schlechte«, antwortete Hiob mit den Lippen schmatzend, »eine sehr schlechte.«
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst?« fragte Sam.
    »Mein vollkommener Ernst. Das Schlimmste ist, mein Herr will heiraten.«
    »Ach nein!«
    »Ja; und noch schlimmer ist das, er will eine unermeßlich reiche Erbin aus dem Mädchenpensionat entführen.«
    »Ein Teufelskerl das«, äußerte Sam, seines Gefährten Glas wieder füllend. »Ist vermutlich ein Mädchenpensionat in der Stadt, nicht wahr?«
    Obgleich diese Frage scheinbar im unbefangensten Tone von der Welt vorgebracht wurde, so deutete doch Hiob Trotter durch Gebärden umständlich genug an, daß er die Absicht seines neuen Freundes durchschaue. Er leerte sein Glas, sah seinen Gefährten geheimnisvoll an, winkte mit seinen beiden Äuglein, zuerst mit dem rechten, dann mit dem linken, und machte endlich eine Bewegung mit dem Arme, als ob er in Gedanken pumpte, um dadurch anzuzeigen, daß er (Herr Trotter) sich als einen Brunnen betrachte, der von Herrn Samuel Weller ausgepumpt werden sollte.
    »Nein, nein«, sagte endlich Herr Trotter. »Das darf nicht jedermann wissen, das ist ein Geheimnis, ein großes Geheimnis, Herr Walker.«
    Während der Maulbeerfarbene also sprach,

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