Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
ist denn das Mädchenpensionat?«
»Es ist ein großes, altes, backsteinernes Haus, gerade vor der Stadt«, erwiderte Hiob Trotter.
»Und wann«, fragte Herr Pickwick, »wann soll der schändliche Plan ausgeführt werden – wann soll die Entführung stattfinden?«
»Heute abend, mein Herr«, antwortete Hiob.
»Heute abend«, rief Herr Pickwick,
»Noch heute abend, mein Herr«, versicherte Hiob Trotter. »Das ist’s, was mich so sehr beunruhigt.«
»Es müssen augenblicklich Maßregeln getroffen werden«, sagte Herr Pickwick. »Ich will die Dame sogleich sprechen, die die Mädchenschule hält.«
»Bitte um Verzeihung, mein Herr«, sagte Hiob, »aber so geht es nicht.«
»Warum nicht?« fragte Herr Pickwick.
»Mein Herr ist ein sehr schlauer Kamerad.«
»Das weiß ich«, sagte Herr Pickwick.
»Und er hat sich bei der guten Dame so eingeschwatzt«, fuhr Hiob fort, »daß sie nichts zu seinem Nachteil glauben würde, und wenn Sie sich auf Ihre nackten Knie würfen und es durch einen Eid bekräftigten: besonders da Sie keinen andern Beweis haben, als die Aussagen eines Dieners, der wegen irgendeines Vergehens, das ihr mein Herr zu nennen für gut fände (und das würde er sicher sagen), fortgejagt worden sei und nun aus Rache so handle.«
»Was soll dann aber geschehen?« fragte Herr Pickwick.
»Nichts kann die alte Dame überzeugen, als wenn wir ihn auf der Tat ertappen«, versetzte Hiob.
»Die alten Katzen wollen mit dem Kopf gegen die Wand rennen«, bemerkte Herr Weller in Paranthese.
»Aber dieses auf der Tat Ertappen, fürchte ich, möchte ziemlich schwer auszuführen sein«, sagte Herr Pickwick.
»Ich weiß nicht, mein Herr«, entgegnete Herr Trotter, nachdem er einige Minuten lang nachgedacht hatte. »Ich meine, es sollte sehr leicht gehen.«
»Wie?« fragte Herr Pickwick.
»Nun«, erwiderte Herr Trotter, »mein Herr und ich sind mit den beiden Mägden im Einverständnis und werden uns um zehn Uhr in der Küche verstecken. Wenn sich die Familie zur Ruhe begeben hat, werden wir aus der Küche und die junge Dame aus ihrem Schlafzimmer hervorkommen. Eine Postkutsche wartet auf uns und wir fahren ab.«
»Gut«, sagte Herr Pickwick.
»Gut, mein Herr: da dachte ich, wenn Sie im Garten hinten warten würden, allein –.«
»Allein?« wiederholte Herr Pickwick, »und warum allein?«
»Ich finde es sehr natürlich«, versetzte Hiob, »daß es der alten Dame nicht erwünscht sein könnte, wenn eine unangenehme Entdeckung vor mehr Personen gemacht würde, als notwendig dazu gehören. Der jungen Dame ebensowenig, mein Herr. – Bedenken Sie ihre Gefühle.«
»Sie haben ganz recht«, sagte Herr Pickwick; »diese Rücksicht ist ein Beweis von großem Zartgefühl. Fahren Sie fort. Sie haben ganz recht.«
»Gut; ich dachte, mein Herr, wenn Sie im hintern Garten allein warteten und ich Sie dann Punkt halb zwölf Uhr durch die Tür einließe, die aus dem Hausgang in den Garten führt, so würden Sie gerade im rechten Augenblicke ankommen, um mir den Plan des schlechten Mannes vereiteln zu helfen, von dem ich unglücklicherweise umgarnt worden bin,«
Hier seufzte Herr Trotter tief auf.
»Betrüben Sie sich deshalb nicht«, bemerkte Herr Pickwick; »hätte er auch nur ein Weniges von dem Zartgefühl, das Sie auszeichnet, wie untergeordnet auch Ihre Stellung ist, ich würde noch einige Hoffnung auf ihn setzen.«
Hiob Trotter verbeugte sich tief, und trotz Herrn Wellers Vorstellungen traten wieder Tränen in seine Augen.
»So einen Kameraden habe ich noch nie gesehen«, äußerte Sam. »Der Kuckuck soll mich holen, der einen Wasserschwamm im Kopfe hat, der immer gepreßt wird.«
»Sam«, sagte Herr Pickwick mit großer Strenge, »halte deinen Mund.«
»Sehr wohl, Sir«, versetzte Herr Weller.
»Der Plan gefällt mir nicht«, sagte Herr Pickwick nach tiefem Nachdenken, »Warum kann ich mich nicht mit den Verwandten der jungen Dame besprechen?«
»Weil sie hundert Meilen von hier wohnen, mein Herr«, antwortete Hiob Trotter.
»Da ist der Riegel vorgeschoben«, sagte Herr Weller leise vor sich hin.
»Dann dieser Garten?« fragte Herr Pickwick weiter; »wie soll ich hineinkommen?«
»Die Mauer ist sehr niedrig, mein Herr, und Ihr Diener kann Ihnen das Bein halten.«
»Mein Diener kann mir das Bein halten«, wiederholte Herr Pickwick mechanisch. »Sie sind also gewiß an der Tür, von der Sie sagten?«
»Sie können sie nicht verfehlen, mein Herr: es ist die einzige, die in den Garten führt. Pochen Sie
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