Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
nicht gesagt, Henriette?« entgegnete Frau Nupkins, sich mit der Miene des schwer beleidigten Weibes an ihre Tochter wendend: hab’ ich es nicht gesagt, dein Papa werde es umdrehen und alles mir aufbürden? Hab’ ich es nicht gesagt?«
Hier schluchzte Frau Nupkins.
»Ach, Papa!« rief Fräulein Nupkins und schluchzte ebenfalls.
»Ist es nicht himmelschreiend? Nachdem er alle diese Schmach über uns gebracht und uns lächerlich gemacht hat, treibt er noch seinen Spott mit mir und sagt, ich sei schuld daran!« rief Frau Nupkins.
»Wie können wir uns je wieder in Gesellschaft blicken lassen?« sagte Fräulein Nupkins.
»Wie können wir den Porkenhams unter die Augen treten?« fragte Frau Nupkins.
»Oder den Grigs?« sagte Fräulein Nupkins.
»Oder den Slummintowkens?« fragte Frau Nupkins. »Doch was kümmert das deinen Papa? Was gilt das ihm?«
Bei diesem furchtbaren Gedanken weinte Frau Nupkins so heftig, wie man nur im tiefsten Seelenschmerz weinen kann, und Fräulein Nupkins folgte ihrem Beispiele.
Frau Nupkins Tränen fuhren fort, mit großer Geschwindigkeit zu fließen, bis sie ein wenig Zeit gewonnen hatte, die Sache zu überdenken. Darauf fiel dann ihre Entscheidung dahin aus, es werde das beste sein, wenn man Herrn Pickwick und seine Freunde bis zur Ankunft des Kapitäns zu bleiben bäte, um Herrn Pickwick die gewünschte Gelegenheit zu verschaffen. Würden sich dann seine Angaben als wahr herausstellen, so könnte der Kapitän ohne weiteres Aufsehen aus dem Hause gewiesen und den Porkenhams leicht vorgespielt werden, er sei durch den Einfluß seiner Familie bei Hof zum Generalgouverneur von der Teufelsinsel oder vom Pfefferland oder irgendeiner andern Kolonie in jenen gesunden Himmelsstrichen ernannt worden, die die Europäer so sehr bezaubern, daß sie, wenn sie einmal dort sind, nicht mehr leicht zur Rückkehr bestimmt werden können.
Als Frau Nupkins ihre Tränen trocknete, trocknete auch Fräulein Nupkins die ihren, und Herr Nupkins war äußerst froh, daß die Sache so abgemacht wurde, wie Frau Nupkins vorgeschlagen hatte. Also wurde Herr Pickwick mit seinen Freunden, nachdem sie sich zuvor von allen Spuren ihres letzten Erlebnisses rein gewaschen hatten, den Damen vorgestellt und bald darauf in einen Speisesaal geführt. Herr Weller, in dem der Beamte vermöge des ihm eigenen Scharfblicks binnen einer halben Stunde einen der feinsten Burschen von der Welt entdeckt hatte, wurde der Sorgfalt und Pflege Herrn Muzzles empfohlen, dem besonders eingeschärft wurde, Weller mit sich herunter zu nehmen und mit der gehörigen Achtung zu behandeln.
»Wie geht es Ihnen, Sir?« fragte Herr Muzzle, als er Herrn Weller die Küchentreppe hinunterführte.
»Nun, es hat seit der kurzen Zeit, daß ich Sie in der Amtsstube hinter dem Stuhle Ihres Herrn aufgepflanzt sah, keine große Veränderung in meinen inneren Zuständen stattgefunden«, versetzte Sam.
»Sie werden mich entschuldigen, daß ich Ihnen damals so wenig Aufmerksamkeit erwiesen«, bemerkte Herr Muzzle. »Sie wissen, mein Herr hatte Sie mir noch nicht vorgestellt. Himmel, wie er jetzt so große Stücke auf Sie hält, Herr Weller! Sie dürfen dessen versichert sein!«
»Ach, was er für ein artiger Herr ist!« sagte Sam.
»Nicht wahr?« erwiderte Muzzle.
»Soviel Humor«, meinte Sam.
»Und ein so beredter Mann«, sagte Muzzle, »seine Gedanken fließen – nicht wahr?«
»Wundervoll«, versetzte Sam; »sie stürzen heraus und stoßen die Köpfe so hart aneinander, daß sie sich ganz verwirrt machen; man weiß oft kaum, was er damit will – nicht wahr?«
»Das ist eben die große Kunst, die in seinem Vortrage liegt«, bemerkte Herr Muzzle. »Geben Sie acht, hier kommt die letzte Stufe, Herr Weller. Wollen Sie sich nicht die Hände waschen, Sir, ehe wir zu den Damen gehen? Hier ist ein Becken mit Wasser, Sir, und hinter der Tür ein reines Handtuch.«
»Es könnte nicht schaden, wenn ich mich etwas säuberte«, erwiderte Herr Weller, das Handtuch dick mit Seife überschmierend und das Gesicht reibend, bis es wieder schimmerte. »Wie viele Damen sind hier?«
»Nur zwei sind in unserer Küche«, antwortete Herr Muzzle, »eine Köchin und ein Stubenmädchen. Wir halten einen Jungen für die gewöhnlichen Arbeiten, und außerdem noch ein Laufmädchen; aber sie essen im Waschhause.«
»Ah, sie essen im Waschhause – wirklich?« fragte Herr Weller.
»Ja«, versetzte Herr Muzzle: »wir versuchten es anfangs, sie an unsere Tafel zu ziehen, aber
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