Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Wohnzimmer.
Ein imposantes Bild entfaltete sich vor ihnen. Alfred Jingle, Esquire, alias Kapitän Fitz-Marshall, stand mit dem Hute in der Hand und einem Lächeln auf seinem trotz seiner höchst unangenehmen Lage völlig ruhigen Gesicht, an der Tür. Ihm gegenüber stand Herr Pickwick, der soeben eine strenge moralische Vorlesung gehalten haben mußte; denn seine linke Hand ruhte auf seiner Hüfte und seine rechte schwebte in der Luft – eine Haltung, die ihm eigen war, wenn er eine nachdrückliche Rede hielt. In einiger Entfernung stand Herr Tupman mit zornigem Gesicht und wurde von seinen beiden jüngeren Freunden sorglich zurückgehalten. Weiter hinten im Zimmer sah man Herrn Nupkins, Frau Nupkins und Fräulein Nupkins, großartig düster und wild empört.
»Was hindert mich«, sagte Herr Nupkins mit der Würde des Herrschers, als Hiob hereingebracht wurde – »was hindert mich, diese Menschen als Landstreicher und Betrüger verhaften zu lassen? Es ist törichte Nachsicht. Was hindert mich?«
»Stolz, alter Kamerad, Stolz«, erwiderte Jingle ganz wohlgemut. »Ließe sich nicht machen – ginge nicht – einen Kapitän ins Garn gelockt, he? – ha! ha! sehr hübsch – einen Mann für die Tochter – saurer Apfel – öffentlich werden – um alle Welt nicht – sehen verblüfft drein, ganz verblüfft.«
»Schändlicher!« rief Frau Nupkins; »wir verachten Ihre gemeinen Anspielungen.«
»Ich habe ihn von jeher gehaßt«, fügte Henriette hinzu.
»Ha, natürlich«, bemerkte Jingle. »Schlanker junger Mann – alter Liebhaber – Sidney Porkenham – reich – seiner Bursche – doch nicht so reich als der Kapitän, he? – Gebt ihm den Abschied – fort mit ihm – alles für den Kapitän – gibt nur einen Kapitän – alle Mädchen – rasend verliebt – he, Hiob he?«
Hier lachte Herr Jingle aus vollem Halse, und Hiob rieb sich die Hände vor Vergnügen und gab den ersten Laut von sich, seit er ins Haus getreten war – ein leises, kaum vernehmliches Kichern, das anzudeuten schien, wie er sich seines Lachens zu sehr freute, um es von sich zu geben.
»Nupkins«, bemerkte die ältere Dame, »unsere Unterhaltung ist nicht dazu geeignet, Dienstboten zu Zeugen zu haben. Schaffe die Schurken fort.«
»Jawohl, meine Liebe«, versetzte Herr Nupkin«. »Muzzle!«
»Ihro Gnaden –«
»Machen Sie die Tür auf.«
»Ja, Ihro Gnaden.«
»Verlassen Sie dieses Haus«, sagte Herr Nupkins, mit nachdrucksvoller Bewegung seiner Hand.
Jingle lächelte und ging auf die Tür zu.
»Halt!« rief Herr Pickwick.
Jingle blieb stehen.
»Ich hätte«, sagte Herr Pickwick, »eine weit empfindlichere Rache für die Behandlung nehmen sollen, die mir von Ihnen und Ihrem heuchlerischen Freunde widerfahren ist.«
Hier macht Hiob Trotter eine sehr höfliche Verbeugung und legte seine Hand aufs Herz.
»Ich wiederhole«, fuhr Herr Pickwick, immer zorniger werdend, fort: »ich hätte eine empfindlichere Rache nehmen sollen, aber ich begnüge mich damit, Sie zu entlarven, und ich glaube, das der Gesellschaft schuldig zu sein. Es ist das eine Nachsicht, Sir, für die Sie hoffentlich ein dankbares Gedächtnis haben werden.«
Als Herr Pickwick soweit gekommen war, hielt Hiob Trottet mit ironischer Würde die Hand ans Ohr, als läge ihm alles daran, ja keine Silbe von Herrn Pickwicks Rede zu verlieren.
»Und ich habe nur noch hinzuzufügen, Sir«, fuhr Herr Pickwick, außer sich vor Zorn, fort, »daß ich Sie für einen Schurken und einen – einen Galgenstrick – und – einen größeren Schandbuben halte, als mir je einer vorgekommen ist, oder als ich je von einem gehört habe, mit Ausnahme des höchst frommen und heiligen Landstreichers in der maulbeerfarbigen Livree.«
»Ha–ha–ha«, lachte Jingle. »Ehrlicher Kerl, Pickwick – gute Seele – wackerer alter Knabe – aber müssen nicht leidenschaftlich werden – bös’ Ding das, sehr bös’ – nun, nun – sehen uns wohl wieder – nur den Mut nicht sinken lassen – jetzt Hiob – komm.«
Mit diesen Worten setzte Herr Jingle den Hut in seiner gewohnten Weise auf und schritt aus dem Zimmer. Hiob Trotter blieb stehen, sah sich ringsum, lächelte, machte gegen Herrn Pickwick eine spöttisch-feierliche Verbeugung, warf Herrn Weller einen Blick zu, dessen freche Pfiffigkeit jeder Beschreibung spottet, und folgte den Fußtapfen seines hoffnungsvollen Herrn.
»Sam!« rief Herr Pickwick, als Herr Weller ihm nacheilte.
»Sir.«
»Bleib!«
Herr Weller schien
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