Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
der Leutnant. »Erlauben Sie mir gütigst die Frage, mein Herr«, sagte er, sich an Herrn Pickwick wendend, der sich durch dieses höchst unhöfliche Zwischenspiel sehr beleidigt fühlte – »wollen Sie mir gütigst die Frage erlauben, mein Herr, ob diese Person zu Ihrer Gesellschaft gehört?«
»Nein, mein Herr«, erwiderte Herr Pickwick. »Er ist unser Gast.«
»Er ist einm Mitglied Ihres Klubs – oder irre ich mich?« fragte der Leutnant.
»Nein, gewiß nicht«, antwortete Herr Pickwick,
»Und trägt er nie Ihre Klubknöpfe?« fragte der Leutnant weiter.
»Nein – nie!« versetzte der erstaunte Herr Pickwick.
Leutnant Tappleton wandte sich an Doktor Slammer mit einem kaum bemerkbaren Achselzucken, als wollte er damit andeuten, daß ihm seines Freundes Gedächtnis zweifelhaft vorkäme. Der Doktor sah zornig, aber verwirrt aus, und Herr Payne starrte wild in das strahlende Gesicht des staunenden Pickwick.
»Mein Herr«, begann der Doktor, sich plötzlich an Herrn Tupman wendend, in einem Tone, der diesen Gentleman ebensosehr erschreckte, als hätte ihn plötzlich eine Natter in die Ferse gestochen – »Sie waren gestern abend auf dem Ball?«
Herr Tupman antwortete mit einem schwachen »Ja«; fortwährend auf Herrn Pickwick blickend.
»Diese Person war Ihr Begleiter?« fragte der Doktor weiter, auf den Fremden deutend, der keine Miene verzog.
Herr Tupman gab es zu.
»Nun, mein Herr,« sagte der Doktor zu dem Fremden, »ich frage Sie noch einmal in Gegenwart dieser Herren, ob Sie mir Ihre Karte geben und als Mann von Ehre behandelt sein, oder ob Sie mich in die Notwendigkeit versetzen wollen. Sie auf der Stelle persönlich zu züchtigen?«
»Halten Sie inne, mein Herr«, sagte Herr Pickwick; »ich kann wirklich nicht dulden, daß die Sache weiter getrieben wird, ehe Sie mir irgendeine Auskunft geben. Tupman, erzählen Sie den Vorfall!«
Also feierlich aufgefordert, berichtete Herr Tupman die Sache mit wenigen Worten. Das Entlehnen des Rockes berührte er nur leicht: einen großen Nachdruck legte er darauf, daß es »nach dem Mittagessen« stattgefunden hätte, deutete flüchtig auf eine kleine Reue über sein eigenes Betragen hin und überließ es dem Fremden, sich zu rechtfertigen, so gut er konnte.
Dieser war eben im Begriffe, es zu tun, als ihn der Leutnant Tappleton, der ihn bisher mit Aufmerksamkeit betrachtet hatte, mit großer Geringschätzung fragte:
»Habe ich Sie nicht auf dem Theater gesehen, mein Herr?«
»O ja«, erwiderte der Fremde unbefangen.
»Er ist ein wandernder Schauspieler«, sagte der Leutnant verächtlich, indem er sich an Doktor Slammer wandte. »Er tritt in dem Stücke auf, das morgen die Offiziere des zweiundfünfzigsten Regiments in Rochester aufführen lassen. Sie können in der Sache nicht weiter gehen, Slammer – unmöglich!«
»Nein, unmöglich!« sagte Payne pathetisch.
»Ich bedaure, Sie in diese Unannehmlichkeit versetzt zu haben« sagte Leutnant Tappleton, sich an Herrn Pickwick wendend. »Erlauben Sie mir übrigens, Ihnen zu bemerken, daß der sicherste Weg, in Zukunft dergleichen Auftritte zu vermeiden, größere Vorsicht in der Wahl Ihrer Gesellschaft sein wird. Guten Abend, mein Herr!« – und rasch verließ der Leutnant das Zimmer.
»Und mir erlauben Sie, Ihnen zu bemerken, mein Herr,« versetzte der reizbare Doktor Payne, »daß ich, wenn ich Tappleton oder Slammer gewesen wäre, Sie und die sämtlichen Mitglieder dieser Gesellschaft geohrfeigt hätte. Ja, das hätte ich. Mein Name ist Payne, mein Herr – Doktor Payne vom dreiundvierzigsten Regiment. Guten Abend, mein Herr.«
Die vier letzten Worte sprach er in einem lauten, nachdrücklichen Tone und schritt sodann mit stolzer Würde aus dem Zimmer. Ihm folgte Doktor Slammer schweigend, und nur einen Blick voll Verachtung auf die Gesellschaft werfend.
Zorn und Wut hatte während der eben erwähnten Herausforderung Herrn Pickwicks edle Brust beinahe bis zum Zerspringen seiner Weste geschwellt. Er stand regungslos, mit stieren Blicken da, und erst das Knarren der Tür brachte ihn wieder zu sich selbst. Mit wutentbrannten Blicken und funkelnden Augen sprang er auf. Seine Hand hatte die Türklinke gefaßt, und im nächsten Augenblicke würde er den Doktor Payne vom dreiundvierzigsten Regiment an der Kehle gepackt haben, hätte nicht Herr Snodgraß seinen verehrten Lehrer am Rockschoße ergriffen und zurückgezogen.
»Haltet ihn«, rief Herr Snodgraß. »Winkle, Tupman – er darf sein kostbares Leben
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