Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
spaßhafter alter Herr! Seine Mutter – welch eine liebe alte Dame! Seine Schwester – welch ein bezauberndes Mädchen! Sein Bruder – welch ein männlich aussehender junger Mann und was er für ein Auge hatte! Allein, die ganze Familie war noch immer nichts im Vergleich mit seinen musikalischen Freunden, Mr. und Mrs. Jennings Rodolph von White Conduit, mit denen der Maler- und Tapezierergehilfe glücklich genug gewesen war, genau bekannt zu werden, indem er beim Dekorieren des dortigen Konzertsaales Beistand geleistet hatte.
Es war himmlisch, ihre Solos zu hören; aber wenn sie das tragische Duett: »Blutiger Mordgesell, hinweg!« miteinander sangen, so war man, wie Miss Emilie Martin hinterher bemerkte, »ganz weg«. Und warum (wie Mr. Jennings Rodolph bemerkte), warum waren sie bei keinem der öffentlichen Theater engagiert? Wenn man ihm sagte, ihre Stimmen seien nicht stark genug, das Haus zu füllen, so war seine einzige Antwort, er wolle jede Wette eingehen, daß er den Russel-Square fülle – womit sich die Gesellschaft, nachdem sie das Duett gehört hatte, vollkommen einverstanden erklärte, und worauf alle sagten, es sei eine schmachvolle Behandlung und Mr. Rodolph eine sehr ernste Miene annahm und fallenließ, daß er sehr wohl wisse, wer seine neidischen Widersacher seien, daß sie sich aber in acht nehmen möchten, wie weit sie gingen; denn wenn sie ihn zu schwer reizten, so habe er den Entschluß noch nicht geradezu aufgegeben, die Sache vor das Parlament zu bringen. Die ganze Gesellschaft kam hiernach darin überein, »daß ihnen vollkommen Recht geschehen und daß es sehr angemessen wäre, wenn an solchen Leuten einmal ein Exempel statuiert würde«. Mr. Jennings Rodolph sagte daher, er wolle es in Überlegung ziehen.
Als die Unterhaltung ihren früheren Ton wieder angenommen hatte, ersuchte Mr. Jennings Rodolph Miss Emilie Martin, die Gesellschaft zu erfreuen – die Gesellschaft vereinigte ihre Bitten mit den seinigen –, und Miss Emilie Martin hustete unschlüssig und zögernd, räusperte sich, erklärte, daß sie vor Angst halb tot sei, weil sie sich vor so großen Kunstrichtern hören lassen solle, und machte endlich den Anfang mit einer Art hellem Gezirpe, das beständig Anspielungen auf einen jungen Gentleman, namens Hen – e – ry, nebst einem jeweiligen Hinblick auf Wahnsinn und beschädigte Herzen enthielt. Mr. Jennings Rodolph unterbrach es durch häufige Ausrufe: »Schön – bezaubernd – herrlich – o köstlich!« usw., und nach deren Schlusse kannte seine und seiner Gattin Bewunderung keine Grenzen.
»Hast du jemals eine so liebliche Stimme gehört?« fragte Mr. Jennings Rodolph Mrs. Jennings Rodolph.
»Nein, in meinem ganzen Leben nicht«, erwiderte sie.
»Glaubst du nicht, daß Miss Martin bei ein wenig Ausbildung der Signora Maljebran sehr ähnlich sein würde?«
»Das habe ich gerade auch gedacht, lieber Mann«, versetzte Mrs. Jennings Rodolph.
Und so vertrieb man sich die Zeit. Die meisten sangen, einer nach dem anderen. Mr. Jennings Rodolph spielte Melodien auf einem Spazierstocke, trat darauf hinter die Tür und gab seine berühmten Nachahmungen von Schauspielern, Tieren, Sägen und anderen Schneideinstrumenten zum besten; Miss Martin sang noch mehrere Arien, jede unter immer größerer Bewunderung, und sogar der spaßhafte alte Herr fing an zu singen. Sein Lied hatte eigentlich sieben Strophen; allein, da er sich nur der ersten entsinnen konnte, so wiederholte er sie siebenmal, augenscheinlich zu seiner eigenen vollkommenen Befriedigung. Sodann stimmte die ganze Gesellschaft das Nationallied mit britischem Unabhängigkeitssinne an – indem alle für sich und ohne Rücksicht auf die anderen sangen –, und endlich brach die Gesellschaft auf, erklärte Mann für Mann, daß sie nie einen so angenehmen Abend erlebt hätte, und Miss Martin beschloß in ihrem Innern, den Rat Mr. Jennings Rodolphs zu befolgen, nämlich sich ohne Aufschub als Sängerin »aufzutun«.
Das »Sichauftun« als Schauspielerin oder Sängerin, oder in der Gesellschaft, oder als Parlamentsredner, oder als Witzbold oder was sonst, ist nun freilich eine sehr schöne Sache, und besonders angenehm für die Person, die es zunächst betrifft, wenn sie es möglich machen kann, sich »mit Glanz aufzutun«, und wenn es geschehen ist, den Glanz zu behaupten, statt mit Schimpf wieder heimgesendet zu werden; allein dieses alles ist unglücklicherweise äußerst schwierig; und diese Entdeckung sollte Miss
Weitere Kostenlose Bücher