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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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zu sticken, und bemühte sich, empfindsam auszusehen. »Mr. Horatio Sparkins, Mama«, erwiderte Miss Marianne mit einem Juliaseufzer.
    »Richtig – Horatio Sparkins«, sagte Mrs. Malderton; »ohne Frage der feinste und wohlerzogenste junge Mann, den ich jemals gesehen habe. Er sah am letzten Gesellschaftsabend in seinem wie angegossen sitzenden Rocke aus wie – wie –«
    »Wie Prinz Leopold, Mama – so nobel, so gefühlvoll!« fiel Miss Marianne im Tone enthusiastischer Bewunderung ein.
    »Du solltest bedenken, liebster Mann«, fuhr Mrs. Malderton fort, »daß Theresa achtundzwanzig Jahre alt und daß es wirklich von großer Wichtigkeit ist, daß etwas geschieht.«
    Miss Theresa Malderton war eine kleine, runde Person mit hochroten Wangen, von freundlichem Wesen und noch ohne Gatten, Bewerber oder Anbeter; ein Unglück, dessen Ursache jedoch, um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, keineswegs in einem Mangel an Beharrlichkeit von ihrer Seite lag. Sie hatte vergeblich zehn Jahre lang kokettiert, vergeblich hatten Mr. und Mrs. Malderton eine ausgedehnte Bekanntschaft mit jungen heiratsfähigen Männern aus Camberwell, Wandsworth und Brixton sogar sorgfältig unterhalten; die Londoner noch nicht einmal gerechnet, die sonntags vorsprachen. Miss Malderton war so bekannt wie der Löwe auf dem Giebel von Northumberland-House und hatte ungefähr ebensoviel Wahrscheinlichkeit, »wegzugehen«, wie der Tierkönig, obschon er fortwährend, gleich Miss Malderton, »auf dem Sprunge« war.
    »Ich bin vollkommen überzeugt, daß er dir gefallen würde«, fuhr Mrs. Malderton fort; »er ist so weltmännisch.«
    »So geistreich«, sagte Miss Marianne.
    »Und spricht so vortrefflich, so fließend«, fügte Miss Theresa hinzu.
    »Er hegt große Hochachtung für dich, lieber Mann«, sagte Mrs. Malderton zu ihrem Gatten in vertraulichem Tone.
    Mr. Malderton hustete und sah in das Feuer.
    »Ich bin überzeugt, daß er sehr viel von Papa hält«, sagte Miss Marianne.
    »Ohne allen Zweifel«, bekräftigte Miss Theresa.
    »In der Tat, er hat es mir selbst im Vertrauen gesagt«, bemerkte Mrs. Malderton.
    »Schon gut, schon gut«, entgegnete Mr. Malderton einigermaßen geschmeichelt; »wenn ich ihn morgen im Gesellschaftszirkel sehe, lade ich ihn vielleicht zu uns ein. Ich denke, er wird wissen, daß wir auf Oak Lodge in Camberwell wohnen, meine Liebe?«
    »Natürlich – und auch, daß du einen Wagen und ein Pferd hältst.«
    »Nun, wir wollen sehen«, sagte Mr. Malderton, sich zu einem Schläfchen zurechtsetzend; »ich werde daran denken.«
    Mr. Malderton war ein Mann, dessen Gesichtskreis auf Lloyds, die Börse, das Ostindienhaus und die Bank beschränkt war. Einige glückliche Spekulationen hatten ihn aus einem dürftigen Mann in einen wohlhabenden verwandelt. Wie es in solchen Fällen häufig zu geschehen pflegt, hatte sich mit der Zunahme der Mittel seine Meinung von seiner Person und seiner Familie sehr ungebührlich gesteigert; er suchte es den Vornehmeren und Reicheren in jeder Torheit nachzutun, strebte vornehm zu sein und legte einen entschiedenen und geziemenden Abscheu vor allem, was möglicherweise als gewöhnlich betrachtet werden konnte, an den Tag. Mr. Malderton war gastlich aus Prunksucht, engstirnig aus Unwissenheit und voll von Vorurteilen aus Dünkel und Eitelkeit. Sein vortrefflicher Tisch verschaffte ihm zahlreiche Gäste. Er sah gern gescheite Personen bei sich oder solche, die er dafür hielt, weil davon gesprochen wurde, konnte aber durchaus die »gewitzten« Leute, wie er sie nannte, nicht leiden. Er hegte diese Abneigung wahrscheinlich aus Höflichkeit gegen seine beiden Söhne, die ihrem werten Papa in dieser Beziehung keine Unruhe verursachten. Die Familie war von dem Ehrgeiz besessen, sich Bekanntschaften und Verbindungen in einem höheren gesellschaftlichen Kreise zu verschaffen als dem, in dem sie sich selbst bewegte; und eine der notwendigen Folgen dieses Hanges und ihrer damit verbundenen gänzlichen Unkenntnis der Welt außerhalb ihrer eigenen beschränkten Sphäre war die, daß jeder, der sich nur mit einigem Schein einer Bekanntschaft mit Leuten von Rang und hoher Geburt rühmen konnte, gastlicher Aufnahme in Mr. Maldertons Hause stets gewiß war.
    Mr. Horatio Sparkins’ Erscheinen in dem Gesellschaftszirkel hatte unter deren regelmäßigen Teilnehmern nicht wenig Aufsehen und Neugierde erregt. Was mochte er sein? Er war augenscheinlich zurückhaltend und, wie es schien, melancholisch. War er ein

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