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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Geistlicher? Er tanzte zu gut. Ein Sachwalter? Man sah und hörte nichts von ihm in den Gerichtshöfen. Er bediente sich sehr gewählter Ausdrücke und sprach ziemlich viel. War er vielleicht ein Ausländer von Distinktion, der in der Absicht nach England gekommen war, das Land und seine Sitten und Gebräuche zu schildern, und Citybälle und öffentliche Diners besuchte, um sich mit dem Leben und Treiben der großen Welt und englischer verfeinerter Sitte und Bildung bekannt zu machen? Aber man bemerkte bei ihm durchaus keine fremde Betonung. War er Wundarzt, Künstler, schrieb er Moderomane oder für die belletristischen Zeitblätter? Nein. Dem allen stand irgendeine gewichtige Einwendung entgegen. Jedermann sagte: »Er muß aber doch etwas sein.« Auch Mr. Malderton schloß sich dieser Meinung an, »denn«, sprach er bei sich selbst, »er fühlt unsere Überlegenheit und erweist uns so große Aufmerksamkeit.«
    Der Abend nach der erwähnten Familienunterredung war ein »Gesellschaftsabend«. Das Vorfahren des Wagens ward auf präzis neun Uhr bestellt. Die Misses Malderton legten himmelblaue, mit künstlichen Blumen besetzte Atlaskleider an, und Mrs. Malderton – eine kleine, runde Frau – war ebenso angezogen und sah aus wie ihre älteste Tochter mit zwei multipliziert. Mr. Frederick Malderton, der älteste Sohn, war in seinem eleganten Ballanzug das wahrhafte Ideal eines fixen, geschniegelten Kellners, und Mr. Thomas Malderton, der jüngste Sohn, glich in seiner weißen Halsbinde, seinem blauen Rock mit glänzenden Knöpfen und seinem roten Uhrband auf das Haar dem Bildnis jenes interessanten, obgleich ein wenig unbesonnenen jungen Herrn George Barnwell. Sämtliche Familienglieder hatten sich darauf vorbereitet, Mr. Horatio Sparkins’ Bekanntschaft zu pflegen. Miss Theresa war natürlich so liebenswürdig und interessant, wie Damen von achtundzwanzig auf der Mannsschau zu sein pflegen, und Mrs. Malderton schien lauter Lächeln und Freundlichkeit zu sein. Miss Marianne wollte sich ein paar Verse in ihr Stammbuch erbitten, Mr. Malderton den großen Unbekannten durch eine Einladung zum Mittagessen protegieren, und Tom hatte sich’s ausgesonnen, ihn in betreff seiner Schnupftabak- und Zigarrenkenntnis auszuholen. Sogar Mr. Frederick Malderton – er, das Familienorakel in allem, was Geschmack, Kleidung und elegante Arrangements betraf – er, der seine eigene Wohnung im Westend und freien Zutritt im Covent-Garden-Theater hatte, stets nach der Mode des Monats gekleidet war, dieselben Partien machte, die von der vornehmen Welt gemacht wurden, und sich eines vertrauten Freundes rühmte, der einst mit einem Gentleman bekannt war, der vormals in Albany wohnte – selbst er hatte beschlossen, daß Mr. Horatio Sparkins ein verflucht guter Patron sei und daß er ihm die Ehre erweisen wolle, ihn zu einer Partie Billard aufzufordern.
    Der erste, die sehnsüchtigen Blicke der hoffenden Familie bei ihrem Eintritte in den Ballsaal treffende Gegenstand, war der interessante Horatio. Er lehnte mit aus der Stirn gestrichenem Haar und die Augen empor an die Decke geheftet an einem Pfeiler.
    »Da ist er«, flüsterte Mrs. Malderton sehr erregt ihrem Gatten zu.
    »Wie ähnlich Lord Byron«, murmelte Theresa.
    »Oder Montgomery«, flüsterte Miss Marianne.
    »Oder den Porträts des Kapitän Roß!« fiel Tom ein.
    »Tom – sei kein Esel«, sagte sein Vater, der Tom bei jeder Gelegenheit zum Schweigen verwies, wahrscheinlich um zu verhindern, daß er »gewitzt« würde, was sehr unwahrscheinlich war.
    Der elegante Sparkins posierte mit bedeutendem Effekt, bis die Familie Malderton in seine Nähe kam, fuhr sodann mit höchst natürlich nachgemachter freudiger Überraschung empor, redete Mrs. Malderton mit der größten Herzlichkeit an, begrüßte die jungen Damen auf die bezauberndste Weise, verbeugte sich auf das ehrerbietigste vor Mr. Malderton und erwiderte die Begrüßung der beiden jungen Herren mit halb erfreuter und halb herablassender Gönnermiene, was ihre Überzeugung zu vollkommener Gewißheit erhob, daß er ein bedeutender und zugleich ein verbindlich-liebenswürdiger Mann sei.
    »Miss Malderton«, sagte Horatio nach den gewöhnlichen Begrüßungen und verbeugte sich dabei sehr tief, »vergönnen Sie mir, die Hoffnung hegen zu dürfen, daß Sie mir gestatten werden, das Vergnügen zu haben –«
    »Ich glaube nicht, daß ich schon engagiert bin«, sagte Miss Theresa, schreckliche Gleichgültigkeit mimend – »aber wirklich

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