Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
hatten nämlich schon den ganzen Tag auf einem Dampfschiff gespielt, das eine muntere Gesellschaft nach Gravesend hin- und zurückgefahren hatte.
Das Souper war ausgesucht. Mrs. Kitterbell hatte vier Zuckertempel auf den Tisch stellen lassen, die sich vortrefflich ausgenommen hätten, wenn sie nicht zusammengeschmolzen wären, ehe sich die Gesellschaft zu Tisch setzte. Ebenso lief das Wasser eines Beckens mit einer allerliebsten Mühle auf das Tischtuch über, statt daß die letztere umlief. Es fehlte nicht an allen möglichen Leckerbissen, nur ein paarmal an reinen Tellern. Mr. Kitterbell rief sich heiser danach, sie kamen dennoch nicht, und die Herren, denen sie fehlten, erklärten, es tue gar nichts, sie wollten ein jeder den Teller einer Dame nehmen. Mrs. Kitterbell belobte sie wegen ihrer Galanterie; der Obsthändler rannte umher, bis ihm seine acht Schillinge sehr sauer verdient vorkamen; die jungen Damen aßen nicht viel, aus Furcht, daß es unromantisch aussehen könnte, und die verheirateten Damen aßen soviel wie möglich, aus Furcht, nicht genug zu bekommen; es wurde viel Wein getrunken, und alle sprachen und lachten nicht wenig.
»Pst, pst!« sagte der kleine Kitterbell aufstehend und mit sehr wichtiger Miene. »Meine Liebe«, rief er seiner Gattin am anderen Ende des Tisches zu, »übernimm es, für Mrs. Marwell und deine Frau Mutter und die übrigen verheirateten Damen zu sorgen; ich bin überzeugt, die Herren werden die jungen Damen bewegen, ihre Gläser zu füllen.«
»Meine Damen und Herren«, begann der lange Dumps mit einer echten Grabstimme und Bußpredigtbetonung, indem er sich wie der Geist im Don Juan erhob, »wollen Sie die Güte haben, Ihre Gläser zu füllen? Ich wünsche sehr, eine Gesundheit auszubringen.«
Es folgte ein tiefes Stillschweigen, die Gläser wurden gefüllt, und man sah nur noch ernsthafte Gesichter.
»Meine Damen und Herren«, fuhr Dumps langsam fort, »ich –«
Hier ahmte Mr. Danton ein paar Takte Waldhornmusik nach, und zwar so durchdringend und natürlich, daß der nervenschwache Dumps wie elektrisiert war und die übrige Gesellschaft ausgelassen lachte.
»Zur Ordnung, zur Ordnung!« rief der kleine Kitterbell, indem er seine Lachlust zu bemeistern suchte.
»Zur Ordnung!« riefen die Herren.
»Danton, seien Sie ruhig«, herrschte ein engerer Bekannter den Frevler an, ohne sein Lachen ganz unterdrücken zu können.
Dumps faßte sich sehr bald wieder, zumal er nur wenig außer Fassung gekommen, denn er war ein ziemlich guter Redner, und hub noch einmal an. »Meine Damen und Herren, ich habe es mir erlaubt, aufzustehen, um Ihnen eine Gesundheit vorzuschlagen, da dergleichen meines Wissens Gebrauch bei Taufschmäusen ist und ich einer der Paten Master Frederick Charles William Kitterbells bin.« (Seine Stimme bebte bei diesen Worten, denn er erinnerte sich des Bechers.) »Ich brauche kaum zu sagen, daß mein Vorschlag dahin geht, auf das Wohlsein und Gedeihen des jungen Herrleins zu trinken, zu dessen Ehren wir hier versammelt sind. (Beifall.) Meine Damen und Herren, wir können unmöglich annehmen, daß seine Eltern, deren aufrichtige Freundinnen und Freunde wir alle sind, ihre Lebensbahn zurücklegen werden, ohne ihre Leidenskraft auf schwere Proben gestellt zu sehen, ohne manch großes Leid, viel herben Kummer, ohne Verluste zu erleiden!«
Hier hielt der arglistige, schalkhafte Dumps inne, zog langsam und bedächtig ein großes, weißes Tuch aus der Tasche, und mehrere Damen folgten seinem Beispiele.
»Daß sie lange damit verschont bleiben mögen, ist mein inbrünstiges Flehen, mein heißester Wunsch.« (Die Großmutter begann hier vernehmlich zu schluchzen.) »Ich hoffe und vertraue, meine Damen und Herren, daß das liebe Kind, dessen Tauffeier uns zusammengeführt hat, seinen liebenden Eltern nicht durch einen frühen Tod entrissen, daß seine jetzt scheinbar gute Gesundheit nicht durch ein langsames Siechtum zerstört werden möge.« (Dumps blickte sardonisch umher, denn er sah, daß er beträchtlichen Eindruck bei den verheirateten Damen hervorgebracht hatte.) »Ich weiß, daß Sie meinen Wunsch teilen, daß es leben möge zur Freude und zum Trost seines Vaters und seiner Mutter.« (Hier rief Mr. Kitterbell: »hört, hört!« und schluchzte gerührt.) »Doch sollte der Knabe nicht so werden, wie wir es von ihm wünschen – sollte er dereinst vergessen, was er seinen zärtlichen Eltern schuldig ist und verdankt – sollten sie so unglücklich sein, an ihm
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