Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
für die Zukunft beschäftigt, in der sie wieder dasein würde, kaufte ich nach einigen Monaten einen zweiten Wohnwagen, und was glaubt ihr wohl, was ich damit beabsichtigte? Ich will es euch sagen. Ich beabsichtigte, ihn mit Regalen und Büchern für ihre Lektüre auszustatten und für mich selbst einen Sitz darin anzubringen, wo ich sitzen, ihr beim Lesen zusehen und mich über den Gedanken freuen konnte, daß ich ihr erster Lehrer gewesen war. Ohne die Sache zu übereilen, ließ ich unter meiner eignen Aufsicht die einzelnen Teile mit allerhand Kunstgriffen zusammenschlagen. Hier war ihr Bett in einer Koje mit Vorhängen, dort war ihr Lesepult, hier ihr Schreibtisch, und an einer anderen Stelle befanden sich ihre Bücher, Reihe auf Reihe, mit und ohne Bilder, gebunden und ungebunden, mit Goldrand und einfach, so wie ich sie partienweise für sie zusammenlas, während ich im Land herumzog, in Nord und Süd und Ost und West, soweit der Wind im Land bläst, hier und da und an jedem Ort, über die Berge und weiter fort. Und als ich den Karren so ziemlich mit Büchern gefüllt hatte, fiel mir ein neuer Plan ein, der, wie sich dann herausstellte, meine Zeit und Aufmerksamkeit für eine gute Weile in Anspruch nahm und mir über die beiden Jahre hinweghalf.
Ohne habgierig zu sein, habe ich es doch gern, wenn meine Sachen mir gehören. Zum Beispiel möchte ich nicht einmal euch als Partner an meinem Händlerkarren haben. Nicht etwa, daß ich euch mißtraue, aber mir ist es lieber, ich weiß, daß er mein eigen ist. Ebenso wäre es euch wahrscheinlich lieber, ihr wüßtet, daß er euch gehört. Nun gut! Eine Art Eifersucht begann sich meiner zu bemächtigen, wenn ich daran dachte, daß alle diese Bücher schon lange, bevor sie von ihr gelesen wurden, von anderen Leuten gelesen worden waren. Mir schien es, als ob das ihr Besitzrecht daran beeinträchtigte. So tauchte denn folgender Gedanke in mir auf: Könnte ich nicht ein ganz neues Buch, das eigens für sie gemacht wäre, herstellen lassen, so daß sie die erste sein würde, die es liest?
Dieser Gedanke gefiel mir, und da ich niemals derjenige gewesen bin, der einen Gedanken in sich schlafen ließ (denn in meinem Beruf muß man die ganze Gedankenfamilie, die man hat, aufwecken und ihre Nachthauben verbrennen, oder man kommt unter die Räder), so machte ich mich sogleich an die Ausführung. Da ich so weit im Land herumkam und es meine Aufgabe sein würde, je nach Gelegenheit mit verschiedenen Schriftstellern einen Handel abzuschließen, entwarf ich den Plan, daß dieses Buch eine gemischte Partie sein sollte. Es sollte so etwas sein wie das Rasiermesser, das Bügeleisen, die Chronometer-Taschenuhr, die Dinnerteller, das Teigholz und der Spiegel zusammen und nicht wie die Brillengläser oder die Flinte als ein einzelner, individueller Artikel angeboten werden. Als ich zu diesem Entschluß gekommen war, faßte ich gleichzeitig einen zweiten, den ich euch ebenfalls mitteilen will.
Ich hatte schon oft bedauert, daß sie mich noch niemals gehört hatte, wenn ich auf dem Trittbrett stand, und daß sie mich niemals würde hören können. Nicht daß ich eitel bin, aber wer stellt gern sein Licht unter einen Scheffel? Was hat man von seinem Ruf, wenn man dem Menschen, von dem man am meisten geschätzt werden möchte, nicht verständlich machen kann, worauf er beruht? Entscheidet die Frage selbst. Ist er dann sechs Pence, fünf Pence, vier Pence, drei Pence, zwei Pence, einen Penny, einen halben Penny, einen Farthing wert? Nein, das ist nicht der Fall. Er ist keinen Farthing wert. Schön! Ich faßte deshalb den Entschluß, ihr Buch mit einem Bericht über mich selbst zu beginnen. Sie sollte einige Proben von mir auf dem Trittbrett zu lesen bekommen, so daß sie sich einen Begriff von meinem Talent machen könnte. Dabei war ich mir vollkommen darüber klar, daß ich mir selbst nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen könnte. Ein Mensch kann seinen Blick nicht niederschreiben (wenigstens weiß ich nicht, wie ich das tun sollte), noch kann ein Mensch seine Stimme niederschreiben, noch seine Art zu sprechen, noch die Lebhaftigkeit seiner Bewegungen, noch sein ganzes Auftreten. Aber er kann seine Redewendungen niederschreiben, wenn er ein öffentlicher Redner ist – und ich habe schon oft gehört, daß manche das auch tun, bevor sie sie vortragen.
Na ja! Als dieser Entschluß bei mir feststand, erhob sich die Frage des Titels. Wie hämmerte ich dieses heiße Eisen zu einer brauchbaren
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