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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Überforderung zum Wahnsinn getrieben hat – man wird sie ermorden – ich habe es schon lange erwartet – Schutzleute, rettet sie!«
    Meine Liebe, denken Sie sich: vier Schutzleute und Caroline hinter der Kommode, die mit dem Schüreisen auf sie losfährt. Als man sie entwaffnet hatte, boxte sie mit beiden Fäusten um sich, hin und her und her und hin, ganz entsetzlich! Aber ich konnte es nicht mit ansehen, daß sie das arme junge Ding rauh anpackten und ihr das Haar herabrissen, als sie sie überwältigt hatten, und ich sage:
    »Meine Herren Schutzleute, bitte denken Sie daran, daß ihr Geschlecht das Geschlecht Ihrer Mütter und Schwestern und Ihrer Liebsten ist, und Gott segne diese und Sie selbst!«
    Und da saß sie nun auf dem Boden, mit Handschellen gefesselt, und lehnte sich, nach Atem ringend, gegen die Wandleiste, und die Schutzleute kühl und gelassen mit zerrissenen Röcken, und alles, was sie sagte, war:
    »Mrs. Lirriper, es tut mir leid, daß ich Sie angerührt habe, denn Sie sind eine gute, mütterliche alte Dame.«
    Ich mußte daran denken, wie oft ich gewünscht hatte, ich wäre wirklich eine Mutter, und welche Gefühle mein Herz bewegt hätten, wenn ich die Mutter dieses Mädchens gewesen wäre!
    Auf der Polizeiwache stellte sich dann heraus, daß es nicht das erstemal bei ihr war, und man nahm ihr die Kleider weg und steckte sie ins Gefängnis. Als sie wieder herauskommen sollte, ging ich am Abend ans Gefängnistor mit einem bißchen Gelee in meinem kleinen Körbchen, um sie ein wenig für den erneuten Lebenskampf zu stärken, und dort traf ich eine sehr ehrbare Mutter, die auf ihren Sohn wartete. Er war durch schlechte Gesellschaft dorthin gekommen, und es war ein verstockter Schlingel, der seine Halbschuhe aufgeschnürt trug. Da kommt nun meine Caroline heraus und ich sage zu ihr:
    »Caroline, komm mit mir und setze dich unter die Mauer, wo niemand hinkommt, und iß eine Kleinigkeit, die ich für dich mitgebracht habe.«
    Darauf schlingt sie die Arme um meinen Hals und sagt:
    »Oh, weshalb sind Sie keine Mutter, wo es solche Mütter gibt, wie es sie gibt!«
    So spricht sie, und in einer halben Minute beginnt sie zu lachen und fragt:
    »Habe ich wirklich Ihre Haube in Fetzen gerissen?«
    Und als ich erwidere: »Gewiß hast du das getan, Caroline«, lacht sie wieder und sagt, während sie mir das Gesicht streichelt:
    »Weshalb tragen Sie aber auch solche altmodischen Hauben, Sie liebes, altes Wesen? Wenn Sie nicht so eine altmodische Haube aufgehabt hätten, dann glaube ich nicht, daß ich es selbst damals getan hätte.«
    Denken Sie sich, so ein Mädel! Ich konnte sie auf keine Weise dazu bringen, mir zu sagen, was sie nun anfangen wollte. Sie sagte bloß immer, oh, es würde ihr schon nicht schlechtgehen, und wir schieden, nachdem sie mir aus Dankbarkeit die Hände geküßt hatte. Ich habe niemals mehr etwas von dem Mädchen gesehen oder gehört, aber ich bin fest überzeugt, daß eine sehr vornehme Haube, die auf Veranlassung eines ungenannten Absenders an einem Samstagabend in einem Wachstuchkorb gebracht wurde, von Caroline kam. Der Überbringer war ein höchst unverschämter junger Sperling von einem Affen, mit schmutzigen Schuhen, der auf der gescheuerten Treppe laut pfiff und an dem Geländer mit einem Reifenstock Harfe spielte.
    Welch unchristlichen Verdächtigungen man sich aussetzt, wenn man sich auf das Pensionsgeschäft wirft, das kann ich Ihnen nicht mit Worten schildern. Aber ich bin niemals so ehrlos gewesen, doppelte Schlüssel zu haben, noch möchte ich das gern von Miß Wozenham weiter unten auf der anderen Seite der Straße glauben; ja, ich hoffe sogar aufrichtig, daß das nicht der Fall sein möge, obwohl man andererseits nie wissen kann. Es ist im höchsten Grade verletzend für die Gefühle einer Pensionsinhaberin, daß die Mieter stets denken, man versuche sie zu übervorteilen, und niemals auf den Einfall kommen, daß vielleicht grade sie es sind, die einen übervorteilen möchten. Aber, wie Major Jackman oft zu mir gesagt hat:
    »Ich kenne die Gewohnheiten auf diesem runden Erdball, Mrs. Lirriper, und das ist eine davon, die sich überall findet.«
    Und manchen kleinen Ärger hat mir der Major schon ausgeredet, denn er ist ein kluger Mensch und hat schon vieles zu sehen bekommen.
    Du lieber Gott, sollte man es denken, dreizehn Jahre sind darüber hingegangen, obwohl es mir wie gestern erscheint, daß ich an einem Augustabend am offenen Wohnzimmerfenster saß (denn das

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