Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Major, und ich nahm mir die Freiheit hinzuzufügen: »Was Sie doch sind, Sir.«
Darauf meinte er:
»Madam, auf jeden Fall bin ich kein Minor, und jeder Tag hat seine Plage.«
Auch kann man nicht leugnen, daß das die reine Wahrheit ist, und dafür spricht auch seine soldatische Gewohnheit, daß ihm seine Stiefel, bloß vom Schmutz gesäubert, jeden Morgen auf einer sauberen Platte ins Zimmer gebracht werden müssen, worauf er sie stets nach dem Frühstück mit einem kleinen Schwamm und einer Untertasse, leise vor sich hin pfeifend, selbst wichst. Das macht er so geschickt, daß er sich niemals die Wäsche dabei beschmutzt, die mit peinlicher Sorgfalt im Stande gehalten ist, obwohl sie mehr durch ihre gute Beschaffenheit als durch ihre Menge hervorsticht; und ebensowenig den Schnurrbart, der, wie ich fest überzeugt bin, zur selben Zeit besorgt wird und der denselben tiefschwarzen Glanz aufweist wie seine Stiefel, während sein Haupthaar schön weiß ist.
Der Major wohnte schon seit etwa drei Jahren bei mir, als eines Morgens, früh im Februar, kurz vor Beginn der Parlamentssitzung (und Sie können sich denken, daß um diese Zeit eine Masse Betrüger umherlaufen, bereit, alles einzustecken, dessen sie habhaft werden können) ein Gentleman und eine Dame vom Lande vorsprachen, um sich das zweite Stockwerk anzusehen. Ich erinnere mich noch ganz gut, daß ich am Fenster saß und sie und den schweren Hagel draußen beobachtete, wie sie sich nach Vermietungszetteln umsahen. Das Gesicht des Gentleman wollte mir nicht recht gefallen, obwohl er gut aussah, aber die Dame war eine sehr hübsche junge Frau und so zart, daß das Wetter viel zu rauh für sie zu sein schien, obwohl sie bloß von dem Adelphi Hotel kam, das bei weniger schlechtem Wetter nicht viel mehr als eine Viertelmeile zu Fuß entfernt war. Nun hatte es sich gerade so gefügt, meine Liebe, daß ich genötigt war, auf das zweite Stockwerk fünf Schilling wöchentlich aufzuschlagen. Denn ich hatte einen Verlust gehabt, weil jemand im Abendanzug, als ginge er zu einem Dinner, davongelaufen war, und das ist ein sehr hinterlistiges Verfahren und hatte mich reichlich mißtrauisch gemacht, da ich es mit dem Parlament in Verbindung brachte. Als deshalb der Gentleman drei Monate fest und mit Vorauszahlung vorschlug und sich außerdem das Recht vorbehielt, nach Ablauf dieser Zeit auf weitere sechs Monate zu denselben Bedingungen zu verlängern, da sagte ich, mir käme es so vor, als habe ich mich bereits einem anderen Mieter gegenüber verpflichtet; ich wüßte es aber nicht bestimmt und wollte deshalb einmal nach unten gehen und nachsehen; sie möchten so lange bitte Platz nehmen. Sie nahmen Platz, und ich ging nach unten vor die Tür des Majors, den ich bereits angefangen hatte um Rat zu fragen, da ich das sehr nützlich fand. Ich erkannte an seinem leisen Pfeifen, daß er dabei war, seine Stiefel zu wichsen, wobei er in der Regel nicht gestört werden wollte; jedoch rief er freundlich: »Wenn Sie es sind, Madam, dann treten Sie ein«, und ich trat ein und erzählte ihm die Sache.
»Nun, Madam«, sagte der Major, sich die Nase reibend – ich fürchtete im Augenblick, er täte es mit dem schwarzen Schwamm, aber es war bloß sein Handgelenk, da er mit seinen Fingern immer geschickt und sauber war – »nun, Madam, ich vermute, daß Sie das Geld ganz gern annehmen würden?«
Ich scheute mich, gar zu rasch »ja« zu sagen, denn die Wangen des Majors hatten sich ein wenig tiefer gefärbt und es lag eine Unregelmäßigkeit, auf die ich nicht weiter eingehen will, in bezug auf einen Teil vor, den ich nicht nennen will.
»Ich bin der Ansicht, Madam«, sagte der Major, »daß, wenn Geld für Sie da ist – wenn es für Sie da ist, Mrs. Lirriper –, Sie es annehmen sollten. Was spricht in dem Falle im zweiten Stockwerk dagegen?«
»Ich kann wirklich nicht sagen, daß etwas dagegen spricht, Sir; doch dachte ich, ich wollte mich erst mit Ihnen beraten.«
»Sie sagten, glaube ich, ein jungverheiratetes Paar, Madam?« fragte der Major.
Ich antwortete:
»Ja-a, anscheinend. Die junge Dame bemerkte mir gegenüber jedenfalls beiläufig, sie wäre erst seit ein paar Monaten verheiratet.«
Der Major rieb sich wiederum die Nase und rührte die Wichse in der kleinen Untertasse mit seinem Stückchen Schwamm um und um, während er auf seine Art leise pfiff. Das dauerte einige Augenblicke, dann sagte er:
»Es wäre eine günstige Vermietung, Madam?«
»O ja, eine recht günstige
Weitere Kostenlose Bücher