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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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ungewöhnliches Kind!«
    »Ja, Ma’am«, sagte der Sergeant, »wir machen auch meist diese Erfahrung. Die Frage ist, wieviel seine Kleider wert sind.«
    »Seine Kleider«, sagte ich, »sind nicht viel wert, denn er hatte bloß seinen Spielanzug an. Aber das liebe Kind!«
    »Schon gut, Ma’am«, sagte der Sergeant. »Sie werden ihn wiederbekommen, Ma’am. Und selbst wenn er seine besten Kleider angehabt hätte, so würde doch nichts Schlimmeres passieren, als daß man ihn, in ein Kohlblatt eingehüllt, zitternd in einem Gäßchen fände.«
    Seine Worte durchbohrten mein Herz wie ebenso viele Dolche, und ich und der Major liefen den ganzen Tag über wie wilde Tiere aus und ein, bis der Major, von seinem nächtlichen Besuch auf der Redaktion der Times zurückkehrend, außer sich vor Freude in meine Kammer stürzte, mir die Hand drückte und, sich die Augen wischend, sagte:
    »Freude – Freude – ein Schutzmann in Zivil kam die Hausstufen herauf, als ich gerade aufschloß – beruhigen Sie sich – Jemmy ist gefunden.«
    Infolgedessen fiel ich in Ohnmacht, und als ich wieder zu mir kam, umschlang ich die Beine des Schutzmanns in Zivil, der einen braunen Backenbart trug und der im Geiste ein Inventar der Gegenstände meiner Kammer aufzunehmen schien.
    »Gott segne Sie, Sir«, rief ich, »wo ist der Liebling?«
    Und er sagte:
    »Auf der Wache in Kennington.«
    Ich war im Begriff, umzusinken bei der Vorstellung, die kleine Unschuld sei mit Mördern in einer Zelle zusammen, als er hinzufügte:
    »Er folgte dem Affen.«
    Da ich das für einen Slangausdruck hielt, sagte ich:
    »O Sir, erklären Sie einer liebenden Großmutter, was für ein Affe!«
    Darauf er:
    »Der in der Kappe mit den Flittern und dem Riemen unter dem Kinn, die niemals oben bleiben will – der, der auf einem runden Tisch die Straßenecken fegt und nicht öfter seinen Säbel ziehen will, als nötig ist.«
    Da begriff ich die ganze Sache und dankte ihm von ganzem Herzen. Ich fuhr dann mit ihm und dem Major nach Kennington, und dort fanden wir unsern Jungen, wie er ganz behaglich vor einem lustigen Feuer lag. Er hatte sich auf einer kleinen Ziehharmonika von der Größe eines Bügeleisens, die einem jungen Mädchen abgenommen worden war und die man ihm zu diesem Zweck überlassen hatte, süß in den Schlaf gespielt.
    Meine Liebe, das System, nach dem der Major Jemmy zu unterrichten begann und ihn, wie ich wohl sagen kann, zur Vollkommenheit führte, sollte vor dem Thron und im Ober- und Unterhaus bekanntgemacht werden. Dann würde der Major wohl die Beförderung erhalten, die er vollauf verdient und die er (unter uns gesagt) auch in finanzieller Beziehung sehr gut gebrauchen könnte. Jemmy war damals noch so klein, daß man, wenn er auf der anderen Seite des Tisches stand, unter den Tisch, statt über ihn blicken mußte, um das Lockenköpfchen mit dem schönen blonden Haar, das er von seiner Mutter hatte, zu Gesicht zu bekommen. Als der Major anfing, ihn zu unterrichten, sagt er zu mir:
    »Ich beabsichtige, Madam«, sagte er, »aus unserem Kinde einen rechnenden Jungen zu machen.«
    »Major«, sage ich, »Sie erschrecken mich. Sie können dem Liebling einen dauernden Schaden zufügen, den Sie sich niemals vergeben würden.«
    »Madam«, meint der Major, »nach meiner Reue darüber, daß ich damals den Schurken nicht mit meinem Stiefelschwämmchen auf der Stelle erstickt habe …«
    »Still! Um Gottes willen!« unterbreche ich ihn. »Möge ihn sein Gewissen ohne Schwämmchen ausfindig machen.«
    »… ich sage, nach meiner Reue darüber, Madam«, fährt er fort, »würde die Reue kommen, die meine Brust«, auf die er sich schlägt, »bedrängen würde, wenn dieser glänzende Verstand nicht frühzeitig entwickelt würde. Aber verstehen Sie wohl, Madam«, sagt der Major, »entwickelt nach einem Prinzip, das das Lernen zur Lust machen wird.«
    »Major«, sage ich, »ich will aufrichtig gegen Sie sein und sage Ihnen geradeheraus, wenn ich je finde, daß das liebe Kind nicht mehr so gut ißt, dann werde ich wissen, es sind seine Rechenaufgaben, und in diesem Falle mache ich ihnen in zwei Minuten ein Ende. Oder wenn ich finde, daß sie ihm zu Kopf steigen«, sage ich, »oder sich ihm kalt auf den Magen legen oder zu etwas wie Schwäche in seinen Beinen Anlaß geben, dann wird das Resultat dasselbe sein. Aber, Major, Sie sind ein kluger Mann und haben viel gesehen, und Sie lieben das Kind und sind sein Pate, und wenn Sie es für richtig halten, den Versuch zu

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