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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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habe keine Angst vor mir.«
    Und als ich alles gesagt hatte, was mir nur in den Sinn kam, wandte er mir sein ruhiges, freundliches Gesicht zu und sagte, wenn auch hier und da mit ein wenig gebrochener Stimme:
    »Du sollst sehen, Großmutti, daß ich ein Mann sein kann und daß ich alles tun kann, um dir meine Dankbarkeit und Liebe zu beweisen – und wenn ich nicht das werde, was du von mir erwartest, dann hoffe ich, es wird nur deshalb sein, weil – weil ich sterben werde.«
    Und damit setzte er sich neben mich hin, und ich erzählte ihm weiter von der Schule, über die ich ausgezeichnete Empfehlungen hatte: wo sie wäre, wie viele Schüler sie hätte, was für Spiele sie dort spielten, wie ich gehört hätte, und wie lang die Ferien wären, was er alles mit hellem und fröhlichem Gesicht mit anhörte. Schließlich sagte er:
    »Und nun, liebe Großmutti, laß mich hier, wo ich mein Gebet zu sprechen pflegte, niederknien, laß mich mein Gesicht auf eine Minute in deinem Rock verbergen und laß mich weinen, denn du bist mehr als Vater, mehr als Mutter, mehr als Geschwister und Freunde für mich gewesen sind!«
    Und so weinte er und ich auch, und wir fühlten uns danach beide viel besser.
    Von dieser Zeit an hielt er getreulich Wort und war stets fröhlich und munter, und selbst als ich und der Major ihn nach Lincolnshire brachten, war er bei weitem der munterste von uns dreien. Das war freilich nicht schwer, aber er heiterte auch uns auf; und nur als es zum letzten Lebewohl kam, meinte er mit einem ernsten Blick:
    »Du möchtest doch nicht, daß es mir wirklich nicht naheginge, Großmutti?«
    Und als ich sagte: »Nein, mein Liebling, Gott behüte!« rief er: »Das freut mich!« und rannte ins Haus hinein.
    Aber jetzt, als das Kind die Pension verlassen hatte, wurde der Major ganz und gar trübsinnig. Alle Mieter merkten, daß er den Kopf hängen ließ, und er sah nicht einmal mehr so stattlich aus wie sonst. Selbst seine Stiefel wichste er nur noch mit einem kleinen Schimmer von Interesse.
    Eines Abends kam der Major in mein kleines Zimmer, um eine Tasse Tee und eine gebutterte Röstschnitte zu genießen und dabei Jemmys letzten Brief zu lesen, der an diesem Nachmittag eingetroffen war. Er war von demselben Briefträger wie früher gebracht worden, der, jetzt schon ein Mann in reiferem Alter, noch immer diesen Bezirk hatte. Da der Brief den Major ein wenig aufheiterte, sagte ich zu ihm:
    »Major, Sie dürfen sich keinen trüben Stimmungen hingeben.«
    Der Major schüttelte den Kopf.
    »Jemmy Jackman, Madam«, sagte er mit einem schweren Seufzer, »ist ein älterer Geselle, als ich dachte.«
    »Trübsinn ist kein Mittel, um jünger zu werden, Major.«
    »Meine teure Madam«, erwiderte er, »gibt es überhaupt ein Mittel, um jünger zu werden?«
    Da ich fühlte, daß der Major in diesem Punkt recht behalten würde, lenkte ich auf einen anderen ab.
    »Dreizehn Jahre! Drei-zehn Jahre! Viele Mieter sind in den dreizehn Jahren, die Sie im ersten Stock wohnen, gekommen und gegangen.«
    »Ja!« sagte der Major, warm werdend. »Viele, Madam, viele.«
    »Und Sie haben sich mit allen gutgestanden?«
    »In der Regel (die, wie alle Regeln, ihre Ausnahmen hat), meine teure Madam«, sagte der Major, »haben sie mich mit ihrer Bekanntschaft beehrt, häufig sogar mir ihr Vertrauen geschenkt.«
    Ich beobachtete den Major, wie er sein weißes Haupt senkte, seinen schwarzen Schnurrbart strich und wieder in Trübsinn verfiel, und ein Gedanke, der, wie ich glaube, umherwanderte und sich irgendwo nach einem Eigentümer umsah, fiel in meinen alten Kopf, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten wollen.
    »Die Wände meiner Pension«, sagte ich beiläufig – denn, meine Liebe, es ist zwecklos, mit einem Mann, der trübsinnig ist, geradeheraus zu sprechen –, »könnten sicher etwas erzählen, wenn sie dazu imstande wären.«
    Der Major machte weder eine Bewegung noch sprach er ein Wort, aber ich sah an seinen Schultern, daß er zuhörte, meine Liebe – daß er mit seinen Schultern auf das achtete, was ich sagte. Ich sah tatsächlich, wie es auf seine Schultern Eindruck machte.
    »Der liebe Junge hat stets gern Geschichten gelesen«, fuhr ich fort, als spräche ich zu mir selbst; »und dieses Haus – sein eignes Heim – könnte wahrlich einige Geschichten aufzeichnen, die er später einmal lesen könnte.«
    In den Schultern des Majors gab es einen Ruck, und sein Kopf kam in seinem Hemdkragen in die Höhe. Der Kopf des Majors kam in seinem

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