Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
jemals gestorben.«
    »Ah, Major, Major!« sagte meine geehrte Freundin, mir gütig zulächelnd, »das ist besser als unsere Geschichten. Wir wollen mit der Geschichte des Jungen schließen, Major, denn die Geschichte des Jungen ist die beste, die je erzählt wurde!«
    Diesem Wunsch von seiten der besten aller Frauen folgend, habe ich die Geschichte hier so getreu aufgezeichnet, wie es meine besten Fähigkeiten, unterstützt von meinen besten Absichten, zuließen, und unterschreibe sie mit meinem Namen.
    J. Jackman
    Mrs. Lirripers Pension.
Im ersten Stock.
     

Die Geschichte des Schuljungen
    Da ich jetzt noch ziemlich jung bin – ich nehme zwar zu an Jahren, aber jetzt bin ich immerhin noch ziemlich jung –, so weiß ich keine eigenen Abenteuer, die ich vorbringen könnte. Es würde, glaube ich, niemand unter den Anwesenden besonders interessieren, zu erfahren, was für ein Geizkragen der Reverend oder was für ein Drache sie ist, oder was sie alles den Eltern auf die Rechnung setzen – besonders für Haarschneiden und für ärztlichen Beistand. Einem unserer Jungen wurden auf seiner Halbjahresrechnung zwölf Schilling und sechs Pence für zwei Pillen berechnet – bei sechs Schilling und drei Pence das Stück müssen sie ziemlich einträglich sein, sollte ich meinen –, und er nahm sie nicht einmal, sondern steckte sie in seinen Rockärmel.
    Was den Rinderbraten angeht, so ist es eine Schande. Das ist kein Rinderbraten. Richtiger Rinderbraten besteht nicht aus Adern. Richtigen Rinderbraten kann man kauen. Außerdem gibt es zu richtigem Rinderbraten Sauce, und bei unserem ist niemals ein Tropfen zu sehen. Einer unserer Jungen fuhr krank nach Hause, und er hörte den Hausarzt zu seinem Vater sagen, daß er keinen Grund für seine Krankheit finden könne, wenn es nicht das Bier wäre. Natürlich war es das Bier, und das ist ganz begreiflich!
    Jedoch Rinderbraten und der alte Cheeseman sind zwei verschiedene Dinge. Ebenso das Bier. Von dem alten Cheeseman wollte ich erzählen, nicht davon, wie unsere Jungen des Gewinns wegen um ihre Gesundheit gebracht werden.
    Man braucht sich da bloß die Pastetenkruste anzusehen. Sie ist nicht locker, sondern fest wie feuchtes Blei. Dann bekommen unsere Jungen Alpdrücke und werden mit Kissen beworfen, weil sie im Schlaf schreien und andere Jungen aufwecken. Ist das etwa ein Wunder?
    Der alte Cheeseman schlafwandelte eines Nachts. Er stülpte sich den Hut über die Nachtmütze, ergriff eine Angelrute und ein Kricketschlagholz und ging ins Wohnzimmer hinunter, wo man ihn begreiflicherweise nach seinem Aussehen für ein Gespenst hielt. Er hätte das bestimmt nicht getan, wenn sein Essen bekömmlich gewesen wäre. Wenn wir erst alle anfangen, im Schlaf zu wandeln, wird ihnen endlich das Gewissen schlagen, denke ich.
    Der alte Cheeseman war damals noch nicht zweiter Lateinlehrer; er war bloß einer von den Jungen. Er wurde als ganz kleines Kind in einer Postkutsche dorthin gebracht von einer Frau, die ständig Tabak schnupfte und ihn schüttelte – das war alles, woran er sich erinnern konnte. Er ging niemals in den Ferien nach Hause. Seine Rechnungen (er nahm niemals an Sonderfächern teil) wurden an eine Bank geschickt, und die Bank bezahlte sie. Zweimal im Jahr bekam er einen braunen Anzug, und mit zwölf Jahren zog er schon Stiefel an. Sie waren ihm außerdem stets zu groß.
    In den Sommerferien pflegten einige von unseren Jungen, die so nahe wohnten, daß sie zu Fuß gehen konnten, zurückzukommen und an den Bäumen vor der Spielplatzmauer hochzuklettern, um den alten Cheeseman allein beim Lesen zu sehen. Er war immer so mild wie der Tee – und ich denke, der ist mild genug! –, und wenn sie ihm pfiffen, so blickte er auf und nickte. Und wenn sie ihn fragten: »Hallo, alter Cheeseman, was hat’s zu essen gegeben?« so sagte er: »Gesottenes Hammelfleisch«; und wenn sie fragten: »Ist es nicht recht einsam, alter Cheeseman?« so sagte er: »Es ist manchmal ein bißchen langweilig.« Und dann sagten sie: »Also auf Wiedersehen, alter Cheeseman!« und kletterten wieder hinunter. Natürlich war es ein Betrug an dem alten Cheeseman, ihm die ganzen Ferien hindurch nichts als gesottenes Hammelfleisch vorzusetzen; aber so war das System. Wenn sie ihm kein gesottenes Hammelfleisch gaben, verabreichten sie ihm Reispudding und behaupteten, das wäre ein besonderer Leckerbissen. Und sparten auf diese Weise den Fleischer.
    So ging das Leben des alten Cheeseman. Die Ferien brachten für

Weitere Kostenlose Bücher