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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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nachdem ihre Zeit um war, war sie für so und so viel jährlich dageblieben. So wenig jährlich, sollte ich eher sagen, denn das ist viel wahrscheinlicher. Doch hatte sie ein paar Pfund auf der Sparkasse und war ein sehr nettes Mädchen. Sie war nicht gerade hübsch, aber sie hatte ein sehr offenes, ehrliches, freundliches Gesicht, und alle unsere Jungen hatten sie gern. Sie war ungewöhnlich sauber und fröhlich und ungewöhnlich freundlich und gutmütig. Und wenn einem Jungen die Mutter krank wurde, so ging er stets zu Jane und zeigte ihr den Brief.
    Jane war die Freundin des alten Cheeseman. Je mehr der Bund gegen ihn vorging, desto treuer hielt sie zu ihm. Manchmal warf sie ihm von dem Fenster ihrer Vorratskammer aus einen freundlichen Blick zu, der ihm für den ganzen Tag Mut zu geben schien. Sie pflegte aus dem Obst- und Gemüsegarten (dessen Tür immer verschlossen ist, das könnt ihr mir glauben!) über den Spielplatz zu gehen, obwohl sie einen anderen Weg hätte wählen können, bloß um sich nach dem alten Cheeseman umzuwenden, als wollte sie ihm sagen: »Bleib guten Mutes!« Sein Kämmerchen war so sauber und ordentlich, daß jeder wissen konnte, wer danach sah, während er an seinem Platz saß; und wenn unsere Jungen beim Essen einen dampfenden Kloß auf seinem Teller sahen, dann war es ihnen zu ihrer Entrüstung klar, wer ihn heraufgeschickt hatte.
    Unter diesen Umständen beschloß der Bund nach vielen Sitzungen und Beratungen, daß Jane aufgefordert werden sollte, den alten Cheeseman zu schneiden. Wenn sie sich aber weigerte, sollte sie selbst in Verruf gebracht werden. So wurde eine Deputation unter Führung des Präsidenten an Jane abgesandt, um ihr den Beschluß mitzuteilen, den der Bund zu seinem schmerzlichen Bedauern hätte fassen müssen. Sie war wegen ihrer vielen guten Eigenschaften sehr geachtet, und es gab eine Geschichte von ihr, daß sie einst dem Reverend in seinem eigenen Studierzimmer aufgelauert und aus ihrem guten Herzen heraus eine schwere Strafe von einem Jungen abgewendet hatte. So war der Deputation bei der Sache nicht besonders wohl zumute. Doch ging sie nach oben, und der Präsident teilte Jane alles mit. Diese bekam einen roten Kopf und brach in Tränen aus. Dann sagte sie dem Präsidenten und der Deputation in einer Art, die von ihrer sonstigen Weise ganz und gar abwich, sie wären eine Gesellschaft von boshaften jungen Wilden, und wies die ganze ehrenwerte Körperschaft aus dem Zimmer. Infolgedessen wurde in das Buch des Bundes (das aus Furcht vor Entdeckung in einer Geheimschrift geführt wurde) eingetragen, daß jeder Umgang mit Jane verboten wäre. Der Präsident aber richtete eine Ansprache an die Mitglieder, in der er sie auf dieses überzeugende Beispiel der Wühlarbeit des alten Cheeseman hinwies.
    Aber Jane war dem alten Cheeseman ebenso treu, wie der alte Cheeseman gegen unsere Jungen treulos war – wenigstens ihrer Meinung nach. So hielt sie standhaft zu ihm und blieb seine einzige Freundin. Das ärgerte die Mitglieder des Bundes sehr, denn Jane war für sie ein ebenso großer Verlust wie für ihn ein Gewinn. Sie waren erbitterter gegen ihn und behandelten ihn schlechter denn je. Schließlich war eines Morgens sein Pult verlassen, und als man in sein Zimmer blickte, war es leer. Da bekamen unsere Jungen blasse Gesichter und ein Flüstern ging unter ihnen, daß der alte Cheeseman, außerstande, es noch länger auszuhalten, früh aufgestanden wäre und sich ins Wasser gestürzt hätte.
    Die geheimnisvollen Mienen der übrigen Lehrer beim Frühstück und die Tatsache, daß der alte Cheeseman offenbar nicht erwartet wurde, bekräftigten den Bund in dieser Ansicht. Einige begannen zu disputieren, ob der Präsident den Galgen oder bloß lebenslängliche Deportation verwirkt hätte, und im Gesicht des Präsidenten war die angstvolle Frage zu lesen, welches von beiden es sein würde. Jedoch äußerte er sich, daß er einer Jury seines Vaterlandes mutig gegenübertreten würde. In seiner Ansprache an die Geschworenen würde er sie auffordern, die Hand aufs Herz zu legen und zu bekennen, ob sie als Briten mit Angeberei einverstanden wären und wie sie selbst etwas Derartiges aufgenommen haben würden. Einige Mitglieder des Bundes meinten, daß er lieber davonlaufen und in einem Wald mit einem Holzhauer die Kleider tauschen und sein Gesicht mit Heidelbeeren schwärzen sollte. Die Majorität aber glaubte, wenn er tapfer standhielte, dann könnte ihn sein Vater – da er doch

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